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Miss Saigon der Hund der Japaner und ich Roman

Titel: Miss Saigon der Hund der Japaner und ich Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Tausch
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vor dem vollsten Schuppen und rief dem Parkwächter extra laut etwas auf Vietnamesisch zu (was selbstverständlich in erster Linie für die Ohren der weiblichen Cafébesucher bestimmt war).
    Unsympathisch, nicht wahr?
    Drinnen verzog ich mich an den Tresen und checkte die Lage. Pah, Kate! Hier kreuchten und fleuchten die Schnecken doch im Überfluss. Wohin man blickte: Doppel-X-Chromosomler, die nur darauf warteten, endlich von mir angesprochen zu werden. Zum Beispiel die dahinten am Billardtisch. Obwohl: Die hat Arme, so dick wie meine Oberschenkel. Das musste nicht sein. Dann halt die auf dem Sofa in der Ecke. Dumm nur, dass der Typ, der gerade aus dem Klo kommt, sich neben sie setzt und sie abknutscht.
    So scannte ich sämtliche Frauen im näheren Umkreis,
schloss eine nach der anderen aus, zahlte und ging in dem erhebenden Bewusstsein nach Hause, dass ich es war, der sie nicht wollte - und nicht etwa umgekehrt.
     
    In Phasen der Orientierungslosigkeit und Konfusion tut ein Mann merkwürdige Dinge. Den zweiten Satz aus Beethovens siebenter Symphonie in der Endlosschleife hören, etwa. Oder in selbstzerstörerischer Manier und voller Absicht genau die Drogen schlucken, von denen er eigentlich loskommen möchte. »Das Nest« wurde jedenfalls bald mein zweites Zuhause. Manchmal ging ich mit Jürgen, manchmal mit den Jungs der »Saigon Raiders«. Niemals mit Minh, der diese Art von Entertainment wohl nicht richtig verstanden hätte - nicht nur, weil er als Einziger unter all den Ausländern kein Englisch sprach.
    Meist ging ich alleine.
     
    Das Schöne an Qualitätskontrollen ist, dass man sie lockern kann, wenn der Nachschub zu knapp wird. Natürlich erreicht man damit am Ende nicht immer Premiumniveau, aber wer würde nicht zur Not ein Auge zudrücken?
    Ein Auge zudrücken? Nach ein paar Wochen hätte man mir auf meinen Streifzügen durch die Bars der Pham Ngu Lao eine gelbe Binde mit drei schwarzen Punkten umwickeln müssen. Ohne Sinn und Verstand pflügte ich durch den Acker und klaubte ungeachtet optischer Unzulänglichkeiten jedes Früchtchen auf. Dabei hielt ich mich und mein armseliges Treiben auch noch für brillant.
     
    Glück und Befriedigung sind zwei verschiedene Dinge. An Letzterem mangelte es mir nicht mehr. Doch Ersteres kreuzte
nur in homöopathischen Dosen meinen Lebensweg. Obwohl: Das stimmt so natürlich nicht. Ich war glücklich über den Job, über die neuen Freunde und das neue Leben in Saigon. Doch wenn ich tief in mich hineinhorchte, schallte mir nur ein hohles, leeres Echo meiner eigenen Wünsche und Sehnsüchte entgegen. Ein unangenehmer Sound, den ich durch einen exzessiven Lifestyle zu übertünchen versuchte. Beim Fußball grätschte ich wilder, beim Karaoke rockte ich ausgelassener. Abends ging ich öfter und länger aus und war morgens trotzdem der Erste im Büro. Am Wochenende schlug ich meine Zelte in der Pham Ngu Lao auf und ließ kein Opfer entwischen. Ich kochte das Leben immer weiter ein, bis es so intensiv und klebrig war wie Sirup, dessen süßer Geschmack jeden bitteren Ton überdeckte.
    Doch manchmal nahm sich dieser Motor, der mich unentwegt antrieb, ungefragt eine Ruhepause und schickte mich solange mit einem Glas Rotwein auf die Dachterrasse. Dort sollte ich in die Sterne starren und über das Universum und meinen Platz darin sinnieren. Und das hört sich romantischer an, als es ist. Meist endeten diese Ausflüge damit, dass ich mir sinnlos einen ansoff und in weinerliches Selbstmitleid verfiel.
    Als ich wieder einmal in einer solchen Geisteshaltung die Räume meines Bewusstseins durchschritt, öffnete sich in mir plötzlich leise eine Türe. Warmes Licht strömte heraus. Wohlgerüche, die mein Herz beruhigten. Ich trat näher und spähte neugierig hinein. Da wusste ich, was zu tun war. Ohne einen zweiten Gedanken sprang ich auf. Das Rotweinglas zerdepperte auf dem Boden. Egal. Mit großen Schritten ging es hinunter an den Computer.

    Heute kann ich beim besten Willen nicht mehr sagen, was genau ich an Kate schrieb. Vermutlich tut mein Zerebrum gut daran, den Mantel des Vergessens über den genauen Wortlaut zu legen. Die Erinnerungsfetzen, die noch durch meinen Kopf wabern, drehen sich im Wesentlichen um eine wehleidige Betrachtung eigener charakterlicher Defizite, krude Emotionsausbrüche sowie detaillierte Beschreibungen angestrebter sexueller Handlungen.
    Woran ich mich noch erinnere, ist das Gefühl, welches nach dem Klick auf »Senden« durch meinen Körper flutete:

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