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Miss Saigon der Hund der Japaner und ich Roman

Titel: Miss Saigon der Hund der Japaner und ich Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Tausch
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Dame mustert ihn irritiert und antwortet dennoch höflich: »Mein Name ist Lien.«
    »Das ist ja ein schöner Name. Ich bin Nick.«
    »Ich weiß. Du sprichst sehr gut Vietnamesisch. Wie lange bist du denn schon in Saigon?«
    Nick lächelt linkisch ob des Kompliments, doch zu einer Charmeoffensive kann er nicht mehr ansetzen, denn erneut wird er an den Billardtisch gezerrt. Widerwillig versucht er, sich auf das Spiel zu konzentrieren, doch scheitert bereits an der ersten Kugel. Das Glas, das ihm seine Freunde hinhalten, löst in ihm schon beim Anblick einen Würgereiz aus, mühsam quält er sich Schluck für Schluck rein. Es schüttelt ihn, er kann sich kaum mehr gerade halten. Das Einzige, was ihn jetzt retten kann, ist ein großes Glas Wasser. Er wankt zum Kühlschrank und greift sich eine Flasche. Fünf, sechs gierige Schlucke schaffen ihm eine Prise Klarheit. Als er die Flasche sinken lässt, steht plötzlich eine Frau vor ihm.
    »Hallo«, spricht er sie an. »Ich bin Nick. Und wer bist du?«
     
    Unfassbar. Ich habe ein und dieselbe Frau innerhalb von zehn Minuten drei Mal angebaggert. Ich habe sie jedes Mal nach ihrem Namen gefragt und ihr stets aufs Neue versichert,
dass dieser doch »der schönste Vietnams« sei. Geht es noch schlimmer? Es geht. Der Tiefpunkt dieses ersten Zusammentreffens war noch lange nicht erreicht.
    Am Kühlschrank gelang es mir endlich, Lien in ein Gespräch zu verwickeln und ihren Namen und ihre Erscheinung in mein Langzeitgedächtnis abzulegen. Einmal dort angekommen, schlug es einen Funken, der schließlich ein Feuer entfachte: Ich war in einem desaströsen Zustand, aber bester Laune. Ich konnte nicht mehr geradeaus denken, meinte aber, alles im Griff zu haben. Ich wankte, lallte und stank nach Alkohol - und ich fühlte mich unbesiegbar.
    Gerade, als ich vermeintlich charmant, humorvoll und interessant auf sie einredete, machte sich wieder der Whiskey bemerkbar. Diesmal allerdings nicht im Kopf, sondern in meiner Blase. Also ließ ich Lien alleine und lenkte meine Schritte unbeholfen in Richtung Toilette, wo ich die Hälfte des Strahls neben die Schüssel setzte. (Nicht dass ich mir darüber irgendwelche Gedanken gemacht hätte).
    Ich trat vor die Toilettentür und stierte den kurzen Flur hinunter, der zum Wohnzimmer und der Party führte.
    Im Flur stand ein Hund.
    Der Hund sah mich an.
    Ich habe an anderer Stelle schon verraten, dass ich kein großer Fan der Vierbeiner bin.
    Doch das war gelogen.
    Die Wahrheit ist: Ich habe Schiss vor Hunden. Schon als kleines Kind habe ich mir vor Kläffern in die Hose gemacht.
    Und da stand er plötzlich vor mir. Ein stattliches Teil.
    Und was mache ich? Wegrennen? Auf einen Baum klettern? Um Hilfe rufen?
    Nix dergleichen. Wie ich schon sagte: Ich fühlte mich unbesiegbar,
war bester Laune und viel zu betrunken, um daran zu denken, dass ich vor Hunden eigentlich Angst habe. Die Welt war mein Freund. Und dazu gehörte auch dieser Hund.
    Also kniete ich mich vor ihm nieder, nahm seinen Kopf zwischen die Hände, sah ihm in die Augen und wuschelte in seinem Fell herum. Dazu flötete ich Schmeicheleien wie: »Oh, du bist ja ein ganz, ganz Süßer!«
    Und was machte die Töle?
    Etwas, das ein Hund, der gerade gestreichelt wird, normalerweise nicht macht: Sein Maul schoss vor und biss mir mitten ins Gesicht. Ein Zahn bohrte sich in mein Nasenloch und riss den Nasenflügel auf. Blut sprudelte hervor.
    Ich sprang auf und taumelte ins Zimmer zurück. Auf dem Boden hinterließ ich eine rote Spur. Der Hund fing an zu kläffen. Chaos, als die ersten Partygäste mich sahen. Ein Gewirr aus Menschen und Stimmen um mich herum. »Ist nur ein kleiner Kratzer«, wollte ich den Starken markieren, während ich alles mit Blut besudelte. Iain drängte mich - vermutlich aus Besorgnis um sein Mobiliar - in den Garten. »Nein! Komm! Lass uns noch eine Runde Billard spielen!«, versuchte ich mich zu wehren. »Ist echt nichts!« Doch Iain war schon auf die Straße gesprungen und hatte ein Taxi angehalten, in das er mich verfrachtete. Dann hörte ich noch seine Stimme: »Bring ihn zur Klinik, ok?« Die Autotür schlug zu, und jemand sagte: »Diamond Plaza. Zur ›Family Clinic‹!«
    »Ich will nicht ins Krankenhaus!«, quengelte ich mit schwerer Zunge. »Ist doch echt nur’n Kratzer!«
    »Ruhe jetzt! Wir fahren in die Klinik«, kam die resolute Antwort.
    Ich sah auf - und gab schlagartig klein bei:
    Neben mir saß Lien.

13.
    Es ist nur ein ganz schmaler Grat. Ich würde

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