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Miss Saigon der Hund der Japaner und ich Roman

Titel: Miss Saigon der Hund der Japaner und ich Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Tausch
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Taxi saßen, sprach keiner von uns ein Wort. Lien war vermutlich froh, mich bald los zu sein, ich blickte versonnen aus dem Fenster. Eine unwirkliche Ruhe stieg in mir auf, die auch durch das allgegenwärtige Verkehrsgewimmel nicht gestört werden konnte. Neben mir diese Frau. Wir beide gemeinsam wie in einem klimatisierten Kokon, dem das Chaos der Welt nichts anhaben konnte. Die untergehende Sonne tauchte die Stadt für einen kurzen, intensiven Augenblick in rotgoldenes Licht und zirkelte meterlange Schatten auf den Asphalt, an deren Ende Menschen aus dem Boden wuchsen. Dann fiel sie wie ein Stein am Horizont herunter.
    Plötzlich schoss mir ein beunruhigender Gedanke durch den Kopf:
    »Wo sind meine Schlüssel?«
    »Was?«
    »Meine Schlüssel! Sie sind weg!«
    Panisch tastete ich meine Hosentaschen ab. Dann griff ich mit den Händen in jede Ritze der Rückbank. Nichts. Lien fing ebenfalls an, den Wagen abzusuchen. An ihrem Gesichtsausdruck konnte ich nun erkennen, wie sehr sie mittlerweile von mir und der Situation genervt war. Eine kleine vertikale Furche hatte sich zwischen ihren Augen in ihre Stirn gegraben, ein untrügliches Zeichen ihrer Missgunst, das ich später noch häufiger zu sehen bekommen sollte. Schließlich zückte sie ihr Handy und telefonierte. Eine Weile blieb sie ruhig, lauschte aber gespannt in den Hörer. Mein Beitrag zur Wiederbeschaffung
des Schlüssels beschränkte sich inzwischen auf null. Kurz darauf sagte Lien wieder ein paar Worte, schüttelte den Kopf und wählte eine weitere Nummer.
    »In der Klinik ist er nicht«, erläuterte sie mir knapp.
    Dann sprach sie kurz in einer fremden Sprache, die ich nicht einordnen konnte. In meinen Ohren klang es wie Japanisch, doch ich hätte nicht darauf gewettet. Schließlich legte sie auf und murmelte gedankenverloren: »In Iains Haus ist er auch nicht.«
    Als wir gerade am Zoo vorbeifuhren, wählte Lien erneut eine Nummer. Sie hatte bei der Taxifirma angerufen und wollte herausfinden, welcher Fahrer uns von Iains Party zur Kinik gefahren hatte. Nach einigen Minuten wurde Lien mit ihm verbunden.
    Mittlerweile war der Wagen am Eingang meiner Straße zum Stehen gekommen. Wie immer krakeelten die Kinder über den Asphalt. Meine bevorzugte Zigarettenverkäuferin und die Besitzerin des kleinen Eckladens beäugten argwöhnisch, wie ich mit verbundener Nase stillschweigend in dem geparkten Taxi saß, während eine unbekannte Schönheit genervt in ihr Telefon quatschte. Da konnte ich mich auf heftigen Gassen-Gossip gefasst machen.
    Endlich wandte Lien sich mir wieder zu.
    »Dein Schlüssel ist in dem anderen Taxi. Der Fahrer bringt ihn um neun Uhr bei dir vorbei. Gib ihm ein gutes Trinkgeld - und wechsle morgen früh dein Schloss aus!«
    »Alles klar, vielen Dank für deine Hilfe!«
    Ich versuchte, so souverän wie möglich rüber zu kommen - was mit einem knolligen Verband um die Nase nicht ganz einfach ist. Außerdem musste ich noch ein klitzekleines Problem lösen.

    »Apropos Trinkgeld: Ich hab doch jetzt gar nichts mehr. Könntest du …«
    Ein Blick traf mich, der wohl den letzten Funken Hoffnung auf eine Annäherung zum Verglühen bringen sollte. Doch sie kramte in ihrer Tasche und gab mir wortlos 100.000 Dong. Ich stieg aus dem Wagen aus. Die Blicke der beiden Verkäuferinnen brannten in meinem Rücken, als ich mich noch einmal ins Innere des Taxis beugte.
    »Willst du mir deine Telefonnummer geben, damit ich dir …«
    »Wenn ich das Geld wiederhaben will, werde ich dich schon finden«, schnitt Lien mir das Wort ab.
    Damit brauste sie davon.
    Leicht schwankend drehte ich mich um. Die Zigaretten-Frau, die Ladenbesitzerin, selbst die Kinder starrten meinen Aufzug entgeistert an. Ein kleiner Junge, der bis auf ein verblichenes T-Shirt völlig nackt war, hob den Arm, deutete auf mich und schrie »Blut! Blut!« Die übrigen Gören kreischten, verzogen ihre Gesichter und wölbten immer wieder ihre hohlen Hände über die Nase - wohl um meinen Verband zu imitieren.
    »Ääääh, hi«, grüßte ich gequält in die Runde, bevor ich die enge Stichstraße hinuntertapste. Wie ein aufgestachelter Bienenschwarm folgte mir die Meute der Halblangen, bis sie mit strengen Worten von den Erwachsenen zurückgerufen wurden.
    Endlich erreichte ich das beigefarbene Metalltor, hinter dem sich mein Zuhause verbarg. Wie immer war der Himmel bereits wenige Minuten nach Sonnenuntergang völlig schwarz geworden, nur das Licht aus den umliegenden Wohnungen und eine einzelne

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