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Miss Saigon der Hund der Japaner und ich Roman

Titel: Miss Saigon der Hund der Japaner und ich Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Tausch
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sagen, er ist nicht breiter als ein Bier. Oder ein halbes Glas harter Stoff. Der Gipfel der alkoholischen Glückseligkeit. Bevor man ihn erreicht, ist man einfach nur schnöde betrunken, wenn man auf der anderen Seite hinunterfällt, geht es einem richtig dreckig. Doch wer das rechte Maß trifft, dem löst der Alkohol sein Versprechen ein: Man fühlt sich unwiderstehlich, angstfrei und allmächtig. Man hat die Welt im Griff. Ich hatte die Welt im Griff - oder zumindest glaubte ich das, als ich mich mit bester Laune und lappiger Nase am Empfang der »Family Clinic« anmeldete.
    Natürlich war in der kleinen Privatklinik am Wochenende kein Doktor zugegen, und bis der Bereitschaftsarzt eintraf, verging gut eine Stunde. Allerdings habe ich von dieser Wartezeit nichts mitbekommen, da ich es vorzog, an Liens Seite gelehnt einzuschlafen. Als sich endlich ein dicklicher Franzose mit Glatze und grauem Bart durch die Tür drückte und sich als zuständigen Arzt vorstellte, mischten sich in Liens Zügen Erleichterung und Skepsis. Bei mir herrschte eindeutig Belustigung vor: Den Typ mussten sie auch von einer Grillparty weggezerrt haben. Voller Hellsicht bemerkte ich, dass der werte Herr Doktor noch betrunkener war als ich. Das machte ihn mir wiederum so sympathisch, dass ich mich ohne Bedenken seinen Heilkünsten anvertraute - die glücklicherweise
nur von ihm verlangten, meine Nase zu inspizieren und der Schwester Anweisungen zu geben. Salbe, Tollwut-Impfung, ein komischer Verband auf den Zinken - und schon stand ich wieder am Empfangstresen, wo ich mich mit einer unerfüllbaren Forderung konfrontiert sah:
    »Das macht dann 1.900.000 Dong.«
    Komisch, dass man manchmal Sachen macht, von denen man genau weiß, dass sie sinnlos sind. Zum Beispiel die Hosentaschen zum dritten Mal nach Geld durchsuchen.
    »Tut mir leid. Ich habe nur 600.000 Dong dabei.«
    »Es kostet aber 1.900.000. Das macht der Wochenendzuschlag.«
    »Natürlich! Der Wochenendzuschlag. Den hatte ich dummerweise nicht bedacht, als ich heute Morgen aus dem Haus gegangen bin, um mir von einem Hund in die Nase beißen zu lassen.«
    »Sie müssen aber bezahlen.«
    (Wie schon gesagt: mit Ironie kommt man um den 17. Breitengrad nicht weit).
    »Können Sie mir nicht eine Rechnung stellen?«
    »Gerne. Dann bräuchte ich bitte Ihren Ausweis.«
    Unnötig zu sagen, dass dieser zu Hause lag. Ich schwieg, in der Hoffnung, dass sich die Situation irgendwie von selbst lösen würde. Und siehe da: Genau das passierte. Lien sah mich entnervt an, zückte ihr Portemonnaie und blätterte die fehlenden Scheine hin.
    Ich musste grinsen.
    »Was ist denn daran so lustig?« Kein Hauch von Sympathie trübte ihre Stimme.
    Ich blickte auf das Geldbündel, das die Empfangsdame gerade nachzählte.

    »Du weißt, dass ich jetzt einen Grund habe, dich wiederzusehen?«
    »Vielleicht ist es mir ja 1.300.000 Dong wert, dem zu entgehen«, gab sie schnippisch zurück. Immerhin umspielte ein dürres Lächeln ihre Lippen.
    Ein Scherz, sicher. Doch einer, der mich irritierte. Denn langsam beschlich mich der Verdacht, dass ich für diese Frau auf wesentlich mehr verzichten würde als auf 75 Dollar.
    Ich hatte ja keine Ahnung, wie hoch der Preis am Ende wirklich sein sollte. Mein erbärmlicher Flirtversuch hatte rückblickend betrachtet jedenfalls prophetischen Charakter.
    »Wenn das so ist, muss ich den Einsatz wohl erhöhen!«
    Lien sah mich verständnislos an.
    »Na ja«, druckste ich herum. »Ich habe jetzt kein Geld mehr für ein Taxi. Könntest du mir noch 50.000 Dong leihen?«
    Doch statt mir Scheine zu geben, antwortete sie:
    »Wo musst du denn hin?«
    »Pham Viet Chanh. Das ist hinter dem Zoo, in Binh Thanh.«
    »Dann bringe ich dich nach Hause. Das liegt sowieso in meiner Richtung. Und in deinem Zustand«, sie musterte eingehend meine glasigen Augen, die verbundene Nase und das blutbesudelte Hemd, »solltest du sowieso besser nicht alleine unterwegs sein.«
    »Aber nicht dass du dich dann auch noch auf eine Tasse Kaffee aufdrängst«, versuchte ich, charmant zu sein.
    »Keine Sorge. Ich werde dich bestimmt nicht belästigen. Ich stehe nämlich nicht auf Europäer«, kam prompt die Riposte.
    Hätte ich diesen Hinweis nur ernst genommen - manches Ungemach wäre mir erspart geblieben. Doch ich schwebte
immer noch in einem von Alkohol und Hormonen befeuerten Nirwana, das keine Widerstände kannte, sondern nur das sanfte Puckern von Endorphinen in den Adern.
     
    Als wir kurz darauf nebeneinander im

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