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Miss Seeton kanns nicht lassen

Miss Seeton kanns nicht lassen

Titel: Miss Seeton kanns nicht lassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heron Carvic
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Schreibtisches und beugte sich vor. »Verdammt noch mal, wir sind doch hier in Fleet Street! Im Zeitungsviertel! Hier bin ich zu Hause.« Sie ergriff einen Bleistift und bohrte ihn in den Arm ihres Gegenüber. »Du kennst mich doch! Du hast mir Polizeireportagen zugesagt, aber keine Auslandsberichte. Ich bin Großstädterin. Was soll ich in so einem Kuhdorf?«
    Der Redakteur rückte mit seinem Stuhl außer Reichweite des bohrenden Bleistifts. »Erfahrungen sammeln. Deinen Horizont erweitern.«
    Miss Forby grunzte verachtungsvoll. »Mein Horizont? Der ist nach einer Woche in diesem Laden hier so groß wie ein Fernsehbildschirm. Und Erfahrungen – hab’ ich mehr eingebüßt als gewonnen. Wo liegt überhaupt dieses Plummergen? Wie komm ich dahin? Brauche ich einen Paß?«
    »Das glaube ich nicht«, sagte der Redakteur beruhigend. »Soll englisches Gebiet sein. Mel, hör zu: Du solltest dich freuen über diesen Auftrag. Denk doch mal: jetzt im März, der Frühling steht vor der Tür, und Kent ist der Garten Englands! Die Luft dort soll kolossal erfrischend sein.« Er schauerte leicht zusammen.
    »Erfrischend!« Sie warf den Bleistift hin. »Bin ich vielleicht ‘ne Blume aus ‘m Gartenbeet?«
    Er betrachtete ihr gereiztes Gesicht. »Ehrlich gesagt – nein. Eher eine überhitzte Orchidee.« Er lehnte den Stuhl zurück und schob den Bleistift weiter weg. »Tut mir leid, Mel, aber es muß sein. Meine Späher haben mir berichtet, daß Delphick sie nach London holen ließ, daß er heute morgen mit ihr nach Lewisham fuhr und sie jetzt mitgenommen hat zum Yard. Und ich will wissen warum.« Er grinste seine zornige Mitarbeiterin an. »Du fährst jetzt hin und bleibst dort, bis du die Story hast, verstanden?«
    »Und wenn gar nichts passiert?«
    »Dann kannst du einen Farmer heiraten und gleich dableiben. Ich will dich hier nicht wieder sehen, bis dies unter Dach ist.« Er sprach jetzt langsam und nachdenklich. »Ich habe so ein Gefühl – irgendwas ist da los, das weiß ich.
    Lewisham. Da ist gestern ein Kind umgebracht worden. Mel!« fuhr er begeistert hoch. »Das könnte ein Knüller werden. Und wenn die Seeton sich so aufführt wie letztes Mal, dann wird’s jedenfalls nicht langweilig für dich.«
    »Letztes Mal!« entgegnete sie hitzig. »Mir langt, was ich darüber gelesen habe. Die streitbare Schirmlady. So ein weiblicher Kraftprotz, der sich mit dem Schirm durchs Leben boxt. Du und dein Gefühl, geh mir bloß ab damit.«
    Ruhig schüttelte er den Kopf. »Ich glaub’, die Presse hat den Fall letztes Jahr ganz falsch angepackt. Die Sache braucht jetzt die Hand einer Frau, weißt du.«
    »Ach, glaubst du? Ich glaube eher, du könntest die Hand einer Frau brauchen. Und soweit ich mich an die Berichte erinnere, ist eher ein Ringkämpfer vonnöten, um mit der Dame fertig zu werden.« Sie schob den Stuhl zurück und stand auf. »Ich werd’ wohl besser vorher noch mein Judo auffrischen.«
    Der Redakteur verschränkte die Hände auf dem Tisch und sagte mit freundlichem Ernst: »Hör zu, Mel. Wenn einer so lange bei einer Zeitung ist wie ich, dann riecht er, wenn was im Busch ist. Du hast bei diesem Auftrag völlig freie Hand. Faß die Sache an, wie du willst – krumm oder gerade, aber bleib am Ball. Du bist von Anfang an dabei – sogar noch vor dem Anfang. Also mach was draus, und zwar was Gutes. Gib uns zwei- oder dreimal wöchentlich was durch, oder auch jeden Tag, ganz wie es läuft, das mußt du selber sehen. Ich werde Anweisung geben, daß deine Berichte nicht gekürzt werden. Übertreib’s also nicht mit der Länge – und auch nicht mit den Spesen.«
    »Nicht gekürzt?« Sie starrte ihn an. »Du bist wohl… Und was soll das heißen – gehst du denn fort?«
    »Ja, ich fahre morgen früh nach Italien, auf vierzehn Tage. Und hoffentlich in die Sonne.«
    Mel Forby blieb in der Tür stehen. »Neapel sehen…«, sagte sie giftig. »Den Kranz für dich bezahle ich aus eigener Tasche.«

3
    Der Assistant Commissioner hatte Miss Seetons Skizze vor sich liegen. Merkwürdig eigentlich, dachte er, dieses Gefühl der Enttäuschung. Er hatte – wenn überhaupt irgendwas – nichts Aufregendes erwartet; und doch kam er sich irgendwie betrogen vor. Seltsam.
    Auch Delphick war niedergeschlagen. Es war ein Versuch gewesen, und der Versuch war mißglückt. Aber er merkte erst jetzt, wieviel er sich erhofft hatte. Miss Seetons Einwände gestern abend hatte er rundweg abgelehnt. Und dabei hatte sie protestiert; sie war sogar

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