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Miss Seeton kanns nicht lassen

Miss Seeton kanns nicht lassen

Titel: Miss Seeton kanns nicht lassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heron Carvic
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ihm.
    Etwas unsicher blickte Miss Seeton zu Sir Hubert auf. »Ich weiß natürlich nicht mit Sicherheit, ob es damit zusammenhängt.«
    Nach einer heroischen Anstrengung hatte sich der Assistant Commissioner wieder in der Gewalt. »Nein, natürlich nicht, das verstehe ich«, sagte er. »Aber ich finde es sehr richtig, daß Sie die Möglichkeit immerhin für gegeben halten. Oder doch in Erwägung ziehen.« Hilflos blickte er zu Delphick hinüber. Delphick lachte. »Nun haben Sie sich verraten – Ihr Geheimnis ist heraus. Was hat Sie veranlaßt, sich mit Yoga zu befassen?«
    »Meine Knie«, erklärte sie. »Und die Anzeige klang so vielversprechend, daß ich dachte, der Versuch müsse sich lohnen.«
    »Wissen Sie, Miss Seeton«, meinte der Assistant Commissioner nachdenklich, »ich kann Sie mir eigentlich kaum bei Meditationen oder Phantasieexkursionen vorstellen. Sie stehen eigentlich viel zu fest mit beiden Füßen – oder ich müßte vielleicht sagen: mit dem Kopf auf dem Boden.«
    »Nein, nein«, beruhigte ihn Miss Seeton eilig. »Geistige Übungen mache ich gar nicht. Das wäre mir viel zu schwierig, und ich glaube auch, dazu braucht man Jahre.«
    »Schade«, meinte Sir Hubert. »Ein paar geistige Gymnastikübungen kämen uns hier sehr zustatten. Der Mann, nach dem wir in Zusammenhang mit den Kindermorden suchen, ist zweifellos geisteskrank oder mindestens nicht ganz normal. Immer vorausgesetzt natürlich, daß es sich um nur einen Mann handelt.«
    »Sie meinen doch nicht – es werden doch nicht mehrere sein?« fragte Miss Seeton erschrocken.
    »Hoffentlich nicht. Aber ein Verbrechen, das so ausführlich in den Zeitungen behandelt wird, hat oft Nachahmungen im Gefolge. Und hier ist das besonders einfach. Man braucht nicht viel Kraft, um die Hände zu kreuzen, dem Opfer von hinten eine Drahtschlinge über den Kopf zu werfen und fest zuzuziehen, damit es sich nicht wehren kann. Das brächte auch eine Frau oder sogar ein Kind fertig.«
    »Ja«, sagte Miss Seeton mit gerunzelter Stirn. »So hatte ich mir das noch gar nicht vorgestellt. Sie suchen also jemanden, der nicht sehr kräftig ist. Das macht es irgendwie verständlicher, obwohl es natürlich schrecklich bleibt.«
    »Wieso verständlicher?« fiel Delphick ein.
    »Wieso? Weil – weil – nun, wie Sir Hubert schon sagte: wegen der Kinder.«
    »Wegen der Kinder?«
    Einen Augenblick war sie verwirrt. »Ja…. wenn der andere schwach ist – und klein…. dann…. ich meine, Kinder tun so etwas vielleicht, um sich zu behaupten… sich wichtig zu machen oder so…. und deshalb müssen sie dann jemand kleineren angreifen, genau wie Sie sagten.«
    »Danke, Miss Seeton«, erwiderte Sir Hubert lächelnd. »Ich sagte es nicht – Sie haben es gesagt.« Das war eine neue Idee, eine Gewichtsverlagerung sozusagen. Vielleicht half sie ihnen weiter. Delphick hatte das erkannt: Die komische kleine Figur da hatte mehr gesunden Menschenverstand als manche anderen. Aber der heutige Tag war anstrengend gewesen für sie. Schade, das mit der Zeichnung. »Wir sollten nun endlich aufhören mit der Fachsimpelei und Ihnen ein bißchen Ruhe gönnen, nach diesem Morgen«, entschuldigte er sich.
    Sie sah bedrückt aus. »Es tut mir so leid, daß nichts dabei herauskam«, sagte sie.
    »Durchaus nicht. Aber mir tut es leid, daß wir Sie bitten mußten, ins Leichenschauhaus zu kommen und einen Toten anzusehen. Keine sehr erfreuliche Sache.«
    »Aber nein, das hat mir nichts ausgemacht«, protestierte sie. »Natürlich sucht man sich so etwas nicht gerade aus, aber ich habe schon mehrere gesehen – Leichen meine ich –, als ich jung war. Nur waren die natürlich in Teile zerlegt.«
    »Selbstverständlich.« Sir Hubert gab sich geschlagen, das hörte man ihm an. Der Sergeant mochte sich vorkommen wie Alice im Wunderland – ihm selbst war eher zumute wie Hänschen im Zauberwald. Er verstand nichts mehr.
    Auch Sergeant Ranger seufzte tief. Die Worte hatte er zwar verstanden, nicht aber ihren Sinn. Wie kam es, daß das Orakel immer alles verstand? Sir Hubert sah auch vollkommen ratlos aus.
    »Im Krankenhaus?« fragte Delphick heiter. Dankbar wandte sie sich ihm zu. »Ja. Heute gibt es so praktische Figuren, Männer und Frauen, ganz zum Auseinandernehmen, auch Hunde, glaube ich – aber damals mußte man sich auf Bücher verlassen, und wenn die Bilder auch sorgfältig gemacht waren – ich meine die Muskeln und Knochen –, es war doch nicht dasselbe wie ein richtiger Körper. Und Anatomie

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