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Miss Seeton kanns nicht lassen

Miss Seeton kanns nicht lassen

Titel: Miss Seeton kanns nicht lassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heron Carvic
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– nein«, sagte der A. C. sinnend. »So würde ich es nicht sagen. Meine Gründe waren ganz anderer Art. Nach den Zeitungs- und Polizeiberichten vom letzten Jahr halte ich es eher für möglich, daß die Frau als Katalysator wirkt.« Ein amüsierter Blick streifte Gosslin, der ihn grinsend zurückgab.
    »Ein Katalysator verändert Metalle, nicht wahr?«
    »Ja, schon«, gab Sir Hubert zu. »Im allgemeinen stimmt das. Die Definition aus dem Wörterbuch lautet: >… eine Substanz, die gemeinsam mit anderen Substanzen eine chemische Reaktion auslöst, bei der sie selbst unversehrt bleibt.< Wir sind in diesen Kindermordfällen an einem toten Punkt angelangt, Gosslin. Wir müssen unsere Methoden ändern oder uns anders einstellen als bisher. Wenn wir jetzt einen Katalysator benutzen, hoffe ich auf eine Reaktion. Mit anderen Worten: Miss Seeton wird zwar wahrscheinlich oder sogar sicher unverändert bleiben, aber der Fall wird sich verändern. Damit können wir wohl rechnen.«
    In Brettenden bog der Wagen links ab. Als Sergeant Ranger das Straßenschild – Plummergen Road – erblickte, fiel ihm etwas ein.
    »Sir?«
    »Hm?«
    »Sie kennen doch das Dorf und wissen, wie da getratscht wird. Wenn wir im Gasthaus übernachten und morgen früh dann Miss Seeton mitnehmen, wird das halbe Dorf denken, sie sei verhaftet worden.«
    »Verdammt«, sagte Delphick. »Daran habe ich nicht gedacht.«
    A so, wenn Sie mich fragen: die ist verhaftet worden. Ja – ein Pfund Äpfel noch, bitte.«
    In jeder Stadt sorgt die Lokalzeitung für die tägliche Verbreitung der Neuigkeiten. Auf dem Dorf findet man immer Leute mit dem richtigen Sinn fürs Gemeinwohl, die diese Aufgabe übernehmen und stündlich die Meldungen aus der Gemeinde weitertragen.
    In Plummergen gibt es zwei Damen, denen dieser freiwillige Dienst an der Öffentlichkeit von niemandem streitig gemacht wird. Es sind Miss Erica Nuttel und Mrs. Norah Blaine (von ihren Bekannten Bunny genannt), Vegetarierinnen und im Dorf bekannt als die Zicken. Das Haus, das sie gemeinsam bewohnen, heißt zwar offiziell Lilikot, wird aber allgemein der Ziegenstall genannt; es hat große Fenster und ist in dem Stilmischmasch der Straße immerhin das modernste. In Plummergen gibt es nur diese eine Straße, und das Haus steht genau in der Mitte, gegenüber von Crabbes Tankstelle, woraus sich ergibt, daß den beiden Damen so leicht nichts entgeht vom Kommen und Gehen der anderen Dorfbewohner, wenngleich sie vieles falsch auslegen.
    Der schnellste und beste Weg, eine Neuigkeit unter die Leute zu bringen, ist zweifellos eine Einkaufstour. In Plummergen gibt es fünf Läden: eine bescheidene Bäckerei, eine kleine Schlachterei und drei Gemischtwarenläden: den Krämer, den Kurzwarenhändler und die Poststelle. Von den dreien gebührt die Krone der Poststelle: Sie ist moderner als die beiden andern, führt mehr Kolonialwaren als der Krämer, mehr Konfektionsgüter als die Kurzwarenhandlung und besitzt nicht nur eine, sondern drei Tiefkühltruhen.
    »Verhaftet – ja, das kann gut sein«, stimmte Norah Blaine ihrer Freundin zu. Sie nahm eine Dose mit falschen Fleischklößchen in die Hand und betrachtete das bunte Etikett: braune Gebilde mit schimmelartigen Grünflecken in einem roten See. »Eigentlich ganz klar, was da passiert ist, und es überrascht mich nicht im geringsten. Ich hab’s ja schon immer gesagt: Kein Mensch wird in eine Mordsache verwickelt, wenn nicht irgendwo was faul ist. Habe ich nicht recht?«
    Bei Miss Seeton war zwar nichts >faul< – sie hatte im letzten Sommer ein kleines Häuschen und ein bescheidenes Einkommen von ihrer Patentante, Mrs. Bannet, geerbt; bevor sie jedoch ihr Erbe antrat, hatte sie das Pech gehabt, als einzige Zeugin einen Mord in London zu beobachten; die Folgeerscheinungen der Tat waren ihr bis hinunter nach Kent gefolgt und von den Dorfbewohnern als eigens für sie bestellte Sonderschau betrachtet worden.
    »Sicher hast du recht«, bestätigte Miss Nuttel entschieden. »Ich jedenfalls hab’ noch nie was mit ‘m Mord zu tun gehabt.«
    »Na siehst du, das sag’ ich ja!« triumphierte Mrs. Blaine. »Sie ist erst seit zwei oder drei Tagen wieder hier. Schulferien – lachhaft.« Sie kicherte. »Sieht eher aus…«
    »Als ob sie weggelaufen wäre?« half Miss Nuttel weiter.
    »Nun, wir wissen natürlich nichts Genaues, und ich bin die letzte, die irgendwelche Geschichten in die Welt setzt. Aber es liegt eigentlich alles auf der Hand, meine ich. Die Londoner Polizei

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