Miss Seeton und der Hexenzauber
und etwas mehr Butter auf ihren Frühstückstoast strich, »etwas Schreckliches ist passiert.«
Ihr Sohn stopfte sich Rührei mit Wurst in den Mund.
»Was?« fragte er schmatzend.
»Tante Bray«, erwiderte seine Mutter.
Nigel schob seinen Teller beiseite und nahm sich einen Toast. »Ist sie gestorben?« erkundigte er sich
hoffnungsvoll.
»Sei nicht so gefühllos«, tadelte seine Mutter, aber ihre Aufrichtigkeit zwang sie zu dem Geständnis: »Obwohl das ganz nett wäre.«
Nigel schmierte Butter auf seinen Toast. »Was hat sie dann angestellt?«
»Sie kommt.«
Die Bombe hatte trotz der erheblichen Verspätung nichts von ihrer durchschlagenden Wirkung verloren. Nigel verschluckte sich und hustete, während die Zeitung auf der anderen Tischseite geräuschvoll neben dem Teller landete.
»Nein«, erklärte Sir George entschieden.
»Doch, George.« Lady Colveden tippte mit dem Finger auf den Brief. »Hier drin steht, daß sie eine Weile bei uns bleiben möchte.«
»Wimmle sie ab.«
»Das kann ich nicht. Es ist zu spät. Sie kommt heute nachmittag an.«
»Mach ihr klar, daß wir sie auf keinen Fall hierbehalten können.«
»Sei nicht albern, George. Was für einen Grund sollte ich ihr nennen? Und selbst wenn ich etwas derartiges andeuten könnte, würde das nicht das geringste ändern. Du weißt, daß sie nichts hört, es sei denn, es paßt ihr in den Kram.«
»Oder es paßt den anderen nicht in den Kram«, warf Nigel ein.
»Abgesehen davon«, schloß Lady Colveden mit
unwiderlegbarer Logik, »ist sie deine Cousine, George, nicht meine.«
Nigel tauchte den Löffel in die Marmelade. »Was ist aus dem jugendlichen Straftäter geworden?«
»Nigel, ich habe dir schon einmal gesagt, daß du nicht so über deinen Cousin sprechen sollst.«
»Über meinen Cousin dritten oder vierten Grades«, korrigierte er. »Und die Polizei hat ihn doch wirklich zweimal abgeführt.«
»Basil war nicht straffällig. Wenn deine Mutter soviel Geld wie Tante Bray hätte, wärst du auch gestört und müßtest in eine staatliche, in eine anerkannte Schule.«
»Anerkannt von wem?«
»Woher soll ich das wissen? Ich denke, es ist eine Schule, die solche Dinge gutheißt. Außerdem«,
argumentierte sie vernünftig, »müssen auch Kriminelle eine Ausbildung haben, oder?«
Sir George reichte seinem Sohn die leere Teetasse.
»Warum?«
»Warum?« echote seine Frau. »Weil … naja … Oh, ich verstehe: Warum Tante Bray? Besser, du hörst gleich das Schlimmste.« Sie nahm den Brief zur Hand. »›Liebe Margaret …‹ Kein Mensch außer Tante Bray hat mich je Margaret genannt. O nein, das sind die Klagen über die Dienstboten.« Sie legte die erste Seite weg. »›Ich kann nicht verstehen …‹ Nein, da beschwert sie sich über irgendein Komitee. Ah, jetzt kommt’s. ›Basil hat, nachdem er von der Schule abgegangen ist, eine
wundervolle Arbeit bei prächtigen Menschen gefunden; das zeigt nur, wie sehr sich George immer in ihm geirrt hat. Er hat DEN GLAUBEN gefunden -‹ Ich nehme an, sie meint, Basil hat ihn gefunden, und noch dazu in Großbuchstaben –, ›und ich auch. Die Erfahrung hat mein ganzes Leben verändert, ich bin eine andere Frau.‹«
»Klingt nicht so.« Sie George nahm seine frisch gefüllte Tasse von Nigel entgegen.
»Nein, eigentlich nicht«, gab Lady Colveden zu. »Aber wenn die Veränderung gerade erst begonnen hat, zeigt sich das möglicherweise noch nicht so deutlich. ›Ich habe nicht gelebt, bis ich die Freiheit akzeptiert und das Unendliche verstanden habe. Das Ende der Welt naht, aber wir von Nuscience werden überdauern und die Fackel weiter tragen. Ich werde Euch alles erklären, wenn ich bei Euch bin.‹«
»Das wird sie wohl müssen«, meinte Nigel.
»›Basil ist Trompeter geworden‹ – ist das nicht wunderbar? – und wird sehr gut bezahlt. Wir hatten ein großartiges Treffen in Tonbridge, und nächste Woche findet das letzte in Maidstone statt. Danach werden sie unseren geheimen Ort bekanntgeben. Heißt das, Basil ist Trompeter in einer Kapelle?«
»Die Frau ist verrückt«, sagte Sir George.
Lady Colveden überflog den Rest der wortreichen Ergüsse. »Sie schreibt, daß sie heute nachmittag hier 33
ankommt und ein paar Tage bleibt, um an dieser
Versammlung teilzunehmen, daß wir auch hingehen sollen, daß es wundervoll und jeden Penny wert wäre.
›Aber Basil wird in Maidstone übernachten mit einigen der –‹ das Wort sieht aus wie Majordomos, aber das kann nicht sein –,
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