Miss Seeton und der Hexenzauber
›weil manche Menschen -‹ damit meint sie dich, George – ›so unvernünftig sind.‹«
»Ich bin auch unvernünftig«, stellte Nigel klar. »Vater hat ihn nur aus dem Haus geworfen. Ich hab’ ihn in den Teich geschubst, als ich neun Jahre alt war. Was ist das überhaupt für eine Versammlung von diesen … wie heißen die?«
»Es muß wohl irgendein religiöses Konzert sein«, mutmaßte seine Mutter, »wenn Basil als Herold die Trompete spielt.«
»Auf alle Fälle könnt ihr nicht mit mir rechnen«, sagte Nigel. »Tante Bray ist der Gipfel, und Basil übertrifft sie noch – die Trompete dürfte der letzte Strohhalm für ihn sein.«
»Strohhalm!« rief Lady Colveden. »Das erinnert mich an was. Haben wir sauberes Stroh oder Sägespäne in der Scheune?«
»Möglich. Wozu brauchst du es?«
»Zum Verpacken. Ich muß diese hübsche Puppe, die Miss Seeton für Janie hiergelassen hat, abschicken. Ein Jammer, daß sie sie ihr nicht selbst geben konnte; sie hätte wirklich nicht soviel Geld ausgeben sollen. Aber trotzdem« – Lady Colveden strahlte –, »ein kleiner Nebenverdienst wird ihr willkommen sein. Ich habe mit den arideren Mitgliedern des Schulvorstands geredet, und sie waren alle einverstanden.«
Sir George faltete die Zeitung zusammen und stand auf.
»Womit, meine Liebe?«
»Mr. Jessyp hat mich neulich angesprochen; er sagt, es sei ja schön und gut, daß man ihn zum Rektor ernannt habe, aber mit nur einer einzigen anderen Lehrerin – die sich auch noch ständig freinimmt, um kranke Mütter, Tanten und Cousinen zu besuchen – muß er sich um jeden Kleinkram selbst kümmern. Er hat angefragt, ob der Vorstand etwas dagegen haben könnte, wenn er Miss Seeton bittet, gelegentlich den Unterricht zu übernehmen, falls sie es einrichten kann.«
»Die wird den Knirpsen schon einiges beibringen«, sagte Nigel.
»Warum nicht?« entgegnete seine Mutter. »Immerhin gehören Krisen zu ihrem Leben, und du kannst nicht abstreiten, daß Miss Seeton eine Expertin in Sachen Krisenbewältigung ist. Die Katastrophen verfolgen sie, wedeln mit den Schwänzen wie freundliche Hündchen, sobald sie ihr begegnen, sie tätschelt ihnen die Köpfe, löst alle Probleme, ohne überhaupt zu merken, daß es welche gibt, und taucht freundlich lächelnd aus dem größten Durcheinander unbeschadet wieder auf. Was für eine bessere Ausbildung könnte es geben? Schade, daß die Regierung sie nicht gebeten hat, den gestrigen
Eisenbahnerstreik zu schlichten; sie hätte mit ihrem Regenschirm durch die Luft gefuchtelt und die
Angelegenheit im Nu geregelt – und Julia und Janie hätten nicht früher nach Hause fahren müssen. Ich finde, Miss Seeton sollte in die Politik gehen. Politiker haben immer Krisen, und sie bewältigt sie in kürzester Zeit mit ein bißchen gesundem Menschenverstand.«
Sir George drehte sich vor der Tür noch einmal um.
»Gesunder Menschenverstand und Politik passen nicht zusammen, meine Liebe.«
Auch Miss Seeton bekam Post, die Anlaß zu bösen Vorahnungen gab.
Wirklich. Sehr freundlich. Und auch in gewisser Weise erfreulich. Das heißt, wenn man so etwas wollte –
unterrichten. Miss Seeton legte den Vorhang weg, den sie säumte, schob die Schachtel mit den Nadeln
sicherheitshalber beiseite und las den Brief noch einmal.
Schulhaus Plummergen Kent
Freitag, 26. September
Miss Emily D. Seeton Sweetbriars Plummergen, Kent Sehr geehrte Miss Seeton, anknüpfend an unsere
Unterhaltung von neulich möchte ich Sie fragen, ob Sie in Erwägung ziehen könnten, gelegentlich als Teilzeit-Lehrerin an unserer Schule einzuspringen –
es wäre keine beschwerliche Aufgabe, und ich biete sie Ihnen in der Hoffnung an, daß Sie anderweitig nicht zu sehr in Anspruch genommen sind.
Die erste Gelegenheit für Ihre Mitarbeit könnte sich schon sehr bald ergeben. Miss Maynard muß einen Besuch bei ihrer kranken Mutter machen und wird nicht vor Montag abend nächster Woche zurück sein.
Ich wäre Ihnen sehr zu Dank verpflichtet, wenn Sie ihre Klasse schon am kommenden Montag
übernehmen könnten. Alles ist so gut vorbereitet, daß Sie nicht sehr viel mehr tun müßten, als die Kinder zu beaufsichtigen. Zudem planen wir für diese Woche einen Schulausflug, um den Kindern einen Tag an der Küste zu ermöglichen. Falls Sie sich bereit erklären würden, sie zu begleiten, könnte dieser Ausflug für ein Kunstprojekt genutzt werden; vielleicht
veranstalten wir einen Zeichenwettbewerb; die Kinder malen eine bestimmte
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