Miss Sophie, Sie können mir vertrauen
war unwahrscheinlich, dass irgendeine Dame an einem ihr unbekannten Herrn seines Formats vorbeigehen konnte, ohne ihn verstohlen, aber dennoch genau anzusehen. Natürlich würden die Frauen ihn nicht anstarren, weil sie befürchten mussten, für aufdringlich gehalten zu werden. Aber man konnte der hochgewachsenen, kräftigen Gestalt, die so unauffällig elegant gekleidet war und sich derart geschmeidig bewegte, getrost einen flüchtigen Blick zuwerfen.
Vor Mr Jacksons Etablissement angekommen, sah er die Haustür aufgehen und einen nicht minder hochgewachsenen Mann das Gebäude verlassen, einen athletisch gebauten Herrn mit schwarzem Haar und dunkelbraunen Augen, der ihn plötzlich erblickte und anstarrte, als habe er ein Gespenst vor sich. Dem Mann blieb der Mund offen stehen. Dann lächelte er strahlend.
“David! Großer Gott! Wir alle dachten, du seist in Wien und würdest dich dort mit den Ballettratten der Oper amüsieren. Was zum Teufel hat dich hergeführt? Abgesehen natürlich von den Balletteusen unserer Oper.”
Lord Helford grinste. “Wer im Glashaus sitzt, Peter, sollte nicht mit Steinen werfen. Ich habe gehört, dass du dir einen Ruf als Frauenheld erworben hast.”
“Ach, das ist Vergangenheit, David. Also erzähle, was dich hergeführt hat. Oh, natürlich! Du bist jetzt der Nachfolger deines Bruders.”
Lord Helford nickte. “Ja. Ich hätte schon früher zurückkehren sollen, insbesondere, weil ich der Vormund meiner Nichte bin. Ehrlich gesagt, habe ich nicht viel für Kinder übrig, und meine Großtante Maria scheint die Sache gut in der Hand zu haben. Daher war Wien für mich verlockender.”
Der Earl of Darleston lachte verständnisvoll. “Wohin willst du? Bist du beschäftigt, oder kannst du mir Gesellschaft leisten?”
“Wenn du versprichst, niemandem mein Inkognito preiszugeben, kann ich dir so lange Gesellschaft leisten, wie du willst.”
“Inkognito?” Lord Darleston grinste. “Soll das heißen, dass du, ein lebendiger, lediger Viscount, es geschafft hast, so weit durch die Bond Street zu kommen, ohne belästigt worden zu sein? Das hätte ich nicht für möglich gehalten.” Er und der Freund setzten sich in Bewegung. “Es ist acht Jahre her, nicht wahr? Zum letzten Mal habe ich dich an dem Vormittag der Abreise aus Waterloo gesehen.”
Lord Helford nickte bedächtig. “Ja. Ich habe dich jedoch später an diesem Tag noch einmal gesehen, als George dich auf dein Pferd hob. Weder er noch ich haben geglaubt, dass du lebend davonkommen würdest.”
Lord Darleston lächelte. “Ich habe es noch. Meine Gattin reitet es jetzt.”
“Michael hat mir von deiner zweiten Heirat geschrieben. Ich kann dir doch noch dazu gratulieren, nicht wahr?”
“Ja, danke. Selbst wenn die Gratulation zu meiner Hochzeit nach fast drei Jahren reichlich verspätet ist, kannst du mir jetzt zur Geburt meiner Kinder gratulieren.”
“Kinder? Plural? In dieser Zeit? Das ist selbst für jemanden wie dich …”
Lord Darleston hatte den Anstand, etwas verlegen auszusehen. “Penelope hat Zwillinge …”
“Zwillinge? Du bist Vater von Zwillingen?” Lord Helford warf den Kopf in den Nacken und lachte schallend. “Sieh einer an! Und was hast du bekommen?”
“Einen Sohn und eine Tochter, die soeben zwei Jahre alt geworden sind”, antwortete Lord Darleston, ohne auch nur den Versuch zu unternehmen, seinen Stolz zu verhehlen.
“Glückwunsch!”, erwiderte Lord Helford ehrlich erfreut.
“Wenn du nichts anderes vorhast, komm heute zum Abendessen zu uns. George Carstares und Penelopes jüngere Schwester Sarah sind bei uns zu Gast.”
“Wenn du meinst, dass deine Frau nichts dagegen hat, würde ich gern kommen”, erwiderte Lord Helford.
“Sie nimmt nie an irgendetwas Anstoß”, sagte Lord Darleston überzeugt. Sein Freund teilte diese Überzeugung jedoch nicht, da er aus Erfahrung wusste, dass die Ehefrau eines Mannes dazu neigte, die Freunde ihres Gatten als Eindringlinge zu betrachten.
Man schlenderte weiter die Straße hinunter und erzählte sich, was in den vergangenen acht Jahren geschehen war.
“Du wohnst also jetzt hier? Du hast gesagt, niemand würde wissen, dass du zurück bist”, bemerkte Lord Darleston.
“Ich bin zur Saison hier”, erklärte Lord Helford. “Wahrscheinlich werde ich irgendwann im Sommer eine Gesellschaft auf meinem Landsitz geben.” Seine Stimme hatte einen leicht fragenden Unterton enthalten.
“Oh ja! Bis dahin sind wir zu Haus”, erwiderte Lord
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