Miss Wyoming
kaufte eine Schaumstoff-747, made in Taiwan. Sie fuhr hinaus zu Randys Haus, parkte ein Stück weiter die Straße hinunter und schlief die Nacht im Auto. Am Morgen trug sie das Flugzeug zum Rand des Grundstücks, und dort sah sie das hübscheste Kind, das sie je erblickt hatte - ein Kind von fast himmlischer Schönheit. Der Junge sah genauso aus wie Susan als Kind, und ein bisschen erinnerte er sie auch an jemand anders - ein Gesicht, das sie nicht recht einordnen konnte. Plötzlich hatte sie eine Ahnung, wo Susan das Jahr ihrer Amnesie verbracht hatte.
Marilyn konnte es kaum erwarten, dieses Kind in den Arm zu nehmen. Sie hielt die 747 hoch und ließ sie auf- und niedersteigen, bis Eugene Junior sie bemerkte. Freudig hopste er auf sie zu. Zwei Minuten später saß Marilyn tränenüberströmt mit ihm in ihrem BMW, und sie ließen das Klettergerüst hinter sich.
Randy hatte im Wohnzimmer Wäsche zusammengelegt, und obwohl es keine fünf Minuten her war, seit er das letzte Mal nach dem Kind gesehen hatte, piepste sein Warnmelder. Irgend etwas stimmte nicht. Er schaute in den Garten, und ein eisiger Schauer ließ seine Wirbelsäule erstarren. Dann sah er den Wagen aus der Einfahrt fahren. Er rief Susan an, die gerade von ihrem Spaziergang mit John Johnson zurückgekommen war. Bevor er ein Wort sagen konnte, platzte sie heraus: »Randy! Ich bin grad von den Bullen nach Hause gefahren worden ... und ich habe diesen Typen kennen gelernt...« Randy unterbrach sie und erzählte ihr, was geschehen war.
Kapitel Fünfunddreißig
Die Polizei setzte Susan zu Hause ab. Sie kochte sich eine Kanne Kaffee und rief einen alten Bekannten vom Fernsehen an, Ruiz, jetzt bei der Director's Guild. Sie fragte nach John Johnsons Privatnummer, aber Ruiz zögerte. Susan erinnerte ihn daran, dass sie es gewesen war, die '92 die Nasenkorrektur seiner Schwester arrangiert hatte, und daraufhin gab er ihr die Nummer. Der Stift, den Susan benutzte, war ausgetrocknet. Sie sagte Johns Nummer wieder und wieder auf, während sie nach etwas zum Schreiben suchte, als das Telefon klingelte. Es war Randy mit der Nachricht von der Entführung. Nachdem sie aufgelegt hatte, stand sie mitten in ihrer heiteren, gesichtslosen Küche, und plötzlich spürte sie die klimatisierte kühle Luft des Raums nicht mehr auf ihrer Haut. In ihren Ohren brauste so viel Blut, dass sie nichts mehr hören konnte. Die Spüle und der Topf-Farn vor ihrer Nase schienen ebenso wenig mit ihr zu tun zu haben wie das Bild einer Uberwachungskamera in einem Supermarkt. Nur ihr Geschmackssinn funktionierte offenbar noch, wenn auch verkehrt herum, denn prickelnde, kupferartige Blitze schössen von ihren Mandeln nach vorn. Auf diesen Moment hatte sie gewartet, seit sie in einer Anwaltskanzlei in Culver City inmitten der Scherben von Gregory Pecks Aschenbecher die Verbindung zu ihrer Mutter abgebrochen hatte. Sie hatte nie glauben können, dass man sich so leicht von emotionalen Zwängen befreien kann, wie sie es getan hatte.
Die aufgewühlte chemische Suppe in ihrer Blutbahn wurde ein bisschen dünner. Sie kam wieder zu sich und rannte in den Flur, schnappte sich ihre Handtasche und kramte hektisch darin herum: Schlüssel, Brieftasche, Personalausweis, Handy, Fotos und Pfefferminzbonbons - das war alles, was sie brauchte. Sie stürzte zur Tür hinaus und stieg, ohne das Haus abzuschließen und die Kaffeemaschine auszustellen, in ihren Wagen, der in der Einfahrt stand. Die Sonne war untergangen und die Rush-Hour fast vorbei, doch auf den fünf Spuren des Hollywood Freeway fuhren die Autos Seite an Seite wie die Zuschauer in einem Kino, mit einem gleichmäßigen Tempo von zweiundsechzig Meilen pro Stunde. Sie rief Randy an, und beide brüllten ins Telefon. Randy wollte die Polizei anrufen, Susan untersagte es ihm. Sie gerieten in ein Funkloch, und das Gespräch wurde unterbrochen. Susan rief ihn wieder an, aber die fast leere Batterie ihres Billig-Handys begann zu piepsen. Sie sagte Randy, sie würde sich wieder melden, sobald sie sie im Zigarettenanzünder aufgeladen hatte, was ungefähr drei Stunden dauern würde, und bis dahin wäre sie in der Nähe der Grenze zu Nevada.
»Randy, es ist nicht deine Schuld. Sie hätte es sogar bis hinter die Mauern von Fort Knox geschafft, wenn sie gewollt hätte.«
»Aber Susan, wieso bist du ...« Wssst ssszt...
»Sie wird zurück nach Wyoming fahren, Randy. Sie will die Sache auf ihr eigenes Terrain verlagern. Auf diese Weise ...«
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