Mission Ares
genauso an der Nabelschnur der Erde, als ob sein Aufenthalt hier nur weitere Simulation im JSC wäre. Ich schätze, daß man vier Milliarden Jahre der Evolution nicht in einer Woche abschüttelt.
Er machte sich Gedanken über die Zukunft.
Das ganze Leben lang hatte jemand – jemand außerhalb der NASA – ihn auf Ziele angesetzt. Es hatte mit seinem Vater angefangen und sich – daß er sich ausgerechnet an einem solchen Ort daran erinnertet – im Sommerlager fortgesetzt, wo die siegreiche Mannschaft Fleisch und die Verlierer nur Bohnen bekamen. Dann folgten die Akademie, die Luftwaffe und die NASA…
Er hatte immer einen starken Antrieb verspürt, einen Antrieb, der ihn so weit gebracht hatte – den ganzen Weg bis zum Mond.
Und nun hatte er sein größtes Ziel erreicht.
Er erinnerte sich an das Stimmungstief, das er nach der
Rückkehr von der Gemini-Mission durchlebt hatte. Wie schwer würde die Rückkehr ihm diesmal zu schaffen machen?
Kennedy hatte seine Rede inzwischen beendet. Es trat ein etwas verlegenes Schweigen ein, und Muldoon fragte sich, ob er seinerseits etwas sagen sollte.
»Es ist uns eine Ehre, mit Ihnen zu sprechen, Sir«, versicherte Armstrong in diesem Moment.
Vielen Dank. Ich bedanke mich bei Präsident Nixon für die erwiesene Gastfreundschaft und richte ihm meine besten Grüße für Sie aus, wenn er Sie am Donnerstag an Bord des Flugzeugträgers empfängt.
Muldoon überwand seine Schüchternheit und sagte: »Ich
freue mich sehr darauf, Sir.«
Dann folgte er Armstrongs Beispiel, hob die Hand zum Gruß und trat aus dem Erfassungsbereich der Kamera.
Er war ebenso perplex wie beunruhigt. Es war, als ob die Schwerkraft der Erde ihn jetzt schon niederdrückte.
Er würde sich ein neues Ziel suchen müssen, das war alles.
Was, fragte er sich, wenn Kennedys phantastische Mars—
Vision Realität werden würde? Das wäre das richtige Projekt für ihn.
Vielleicht durfte er an diesem neuen Programm teilnehmen.
Dieses gewaltige Ziel würde seinem Leben für die nächsten zwanzig Jahre wieder eine Richtung und einen Sinn geben…
Doch um das zu erreichen, mußte er sich diesem ganzen PR-Rummel entziehen, der nach der Rückkehr auf ihn wartete.
Für ihn würde die Rückkehr zur Erde ungleich schwieriger sein als der Flug zum Mond.
Er entfernte sich von der Kamera und ging zur Eagle zurück, die aus dieser Perspektive wie ein Spielzeug wirkte.
Samstag, 4. Oktober 1969
Nuklearraketen-Testgelände, Jackass Flats, Nevada
Die Brise aus der Wüste trug Brandgeruch heran, der mit Ölund Farbgeruch von der Testanlage geschwängert war. Der Brodem war irgendwie surreal, als ob York aus Nevada auf einen Wüstenplaneten versetzt worden wäre.
Ich habe irgendwo gelesen, daß Mondstaub so riecht, sagte sie sich. Er riecht verbrannt, nach Asche – ein Herbstduft.
Im Jahr 1969 war Natalie York einundzwanzig Jahre alt.
In Ben Priestleys Corvette hatten sie die hundertvierzig Kilometer von Vegas nach Jackass Flats in weniger als einer Stunde abgespult.
Am Zielort wurden sie von Mike Conlig erwartet, der sie
durch die Sicherheitsabsperrungen schleuste. Zu dieser späten Stunde hielt sich nur noch das Sicherheitspersonal in der Station auf. Als die drei – York, Priest und Petey, Priests Sohn – aus Bens Corvette stiegen, sah York, daß der Wagen mit einer Staubschicht bedeckt war. Der sich abkühlende Motor knackte.
Nevada war ein großes, menschenleeres Territorium, dessen zerklüftete Topographie von unansehnlichen Bergen gekrönt wurde. Die Sonne hing rund und rot am westlichen Horizont, und nach der Hitze des Tages kühlte die Luft sich schnell ab.
Das Gelände war öde. York sah salzresistente Pflanzen und Creosote-Büsche, die sich hier und da in den Boden krallten sowie vereinzelte Ansammlungen von Beifuß. Sicher ein geeigneter Ort für den Test einer Atomrakete, sagte York sich.
Aber diese Einöde gibt einem den Rest.
Im Fachjargon diskutierten Mike und Ben ein paar Aspekte der Testergebnisse, die sie an jenem Tag bekommen hatten.
Wenn York in den – zu – vielen Stunden, die sie während des Geologiestudiums an der UCLA in Studentenkneipen rumgehängt waren, etwas gelernt hatte, dann das, die Ohren
›auf Durchzug zu stellen‹. Also überließ sie Mike und Ben sich selbst und machte einen kleinen Spaziergang.
Petey, Ben Priests zehnjähriger Sohn, war ein schlankes und muskulöses Energiebündel. Er rannte vor den anderen her, wobei sein blondes Haar im letzten
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