Mission Ares
Augen sah.
Natalie reagierte grundsätzlich mit Mißtrauen und Argwohn auf Forschungsprojekte, die von der Regierung finanziert wurden. Conlig sah das jedoch ganz anders. Für ihn war dieses schäbige Versuchsgelände das Tor zur Zukunft: zu anderen Welten, zu Kolonien auf dem Mond.
Und letztlich zum Mars.
Ben Priest versuchte, Natalie die Versuchsanlage zu erklären.
Er lenkte ihren Blick auf das Objekt innerhalb des Gerüsts und sagte ihr, sie solle versuchen, es zu identifizieren. Eine formschöne Düse ragte oben in den Himmel…
»Ach«, sagte sie. »Ich verstehe. Es ist eine Rakete. Und das da oben ist die Düse. Es ist eine Rakete auf der Abschußrampe.
Wie in Cape Kennedy.«
Ben Priest lachte. »Nur daß sie auf dem Kopf steht.«
»Eines Tages wird sie von Kennedy starten«, sagte Conlig defensiv. »Es wird nicht mehr lange dauern. Jedenfalls ein Nachfolgemodell; dieser Vogel wird nie fliegen.«
»Dies ist ein Triebwerk der jüngsten Generation«, sagte Ben.
»Es ist unser ganzer Stolz. Der XE-Prototyp ist fast serienreif.
Die ersten Geräte, die hier vor zehn Jahren konstruiert wurden, hießen Kiwis.«
»Ach«, sagte York. »Vögel ohne Flügel.«
»Und nun«, sagte Ben, »arbeiten wir an einer Reihe von
Projekten unter der Sammelbezeichnung NERVA. Das steht
für ›Nuklearantrieb…‹«
»›… für raketengestützte Versuchs-Anwendungen‹. Ich
weiß.«
»Aber wir dürfen nach wie vor nur Vögel ohne Flügel
bauen«, sagte Priest. »Wir sind stolz auf dieses Baby, Natalie.
Wir haben ihm einen Schub von fast fünfzigtausend Pfund
eingehaucht. Und wir haben achtundzwanzig Starts absolviert.
Zuverlässigkeit wird nämlich ein wichtiger Faktor bei
Langstrecken-Raumflügen sein…«
Conlig beobachtete Natalie und versuchte ihre Reaktion zu ergründen.
Conlig, der sechs Jahre älter war als Natalie, hatte den Hochschulabschluß fast in Rekordzeit geschafft – sein Fachgebiet waren exotische, hitzebeständige Refraktions—Werkstoffe für miniaturisierte Fissionsreaktoren.
Conlig war sicher – und Natalie auch –, daß er in seiner Disziplin eine Spitzenposition erreichen würde. Und weil –wenn man Spiro Agnew Glauben schenken wollte – Raketen
mit Nuklearantrieb eine Revolution in der Raumfahrt einleiten würden, würde er wohl einen sehr hohen Gipfel erklimmen.
Inzwischen würde die Geologie York jeweils für mehrere
Monate an einen anderen Ort führen. Es wäre eine komische Beziehung, um es milde auszudrücken.
Das Bewußtsein, daß sein Leben vom Erfolg oder Mißerfolg einer nuklearen Rakete bestimmt werden würde, vermittelte ihm auch ein komisches Gefühl. Ich lebe im Grunde schon in der Zukunft, sagte er sich.
Für Conlig waren Raketen mit Atomantrieb die simpelsten
und ästhetischsten Maschinen der Welt. Im Gegensatz zu einer Saturn-Rakete wurde bei ihnen nichts verbrannt. Es wurde nur hochverdichteter flüssiger Wasserstoff in einem Reaktorkern erhitzt, und an der Rückseite des Schiffs trat dann heißes Gas aus.
Eine nukleare Zusatzstufe würde die Leistung einer Saturn V
um den Faktor Zwei erhöhen: es wäre nun möglich, mehr als die Hälfte der bisherigen Nutzlast zum Mond zu befördern.
Doch zuvor waren noch erhebliche technische Probleme zu
lösen.
Bei der Betriebsflüssigkeit handelte es sich um flüssigen Wasserstoff, der auf fünfundzwanzig Grad über dem absoluten Nullpunkt heruntergekühlt worden war. Wenn der Wasserstoff in den Reaktor strömte, wurde er jedoch auf eine Temperatur von über zweitausend Grad erhitzt.
Kühlsysteme waren Mike Conligs Spezialität.
Es gab aber noch andere Schwierigkeiten. So mußte die
Besatzung zum Beispiel vor Strahlung abgeschirmt werden.
Außerdem konnte man nur eine begrenzte Anzahl von Raketen bündeln, weil die Neutronenemissionen interferierten etc…
Dennoch machte das Projekt Fortschritte. Kurzfristig peilte man einen RIFT, einen Reaktor-im-Flug-Test, an. Doch bis dahin hatten sie noch eine Menge zu tun. Die Nukleartechnik mußte mit größter Sorgfalt gehandhabt werden: nicht auszudenken, was passieren würde, wenn eine Rakete über Florida abschmierte, nur weil jemand in Kap Kennedy Mist gemacht hatte.
Doch eines Tages würden sie fliegen, sagte Conlig sich.
Gewiß, es gab noch Probleme. Aber sie würden sie lösen.
Sobald Nixon der ›Arbeitsgruppe Raumfahrt‹ grünes Licht gab.
Die ›Arbeitsgruppe Raumfahrt‹ war ein Ausschuß unter
Vorsitz des Vizepräsidenten Agnew, den Nixon
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