Mission Arktis
vom Gürtel ihres Thermoanzugs und knipste den Schalter an.
Henry Ogden ging weiter, vorbei an anderen Höhlen, manche davon leer, andere voll gestopft mit irgendwelchen Gerätschaften. In einer Nische sah Amanda sogar Fleischpakete und Kisten mit Etiketten in kyrillischer Schrift. Vermutlich leicht verderbliche Lebensmittel. Hier brauchte man jedenfalls keine Gefriertruhe.
Während sie sich weiter in die Tiefe vorarbeiteten, bemerkte sie auch die Arbeit der Wissenschaftler: Die Wände waren voller Bohrlöcher, aus denen Proben entnommen worden waren, sie entdeckte Vermessungsstangen mit kleinen Fähnchen, Teile moderner Ausrüstung, sogar eine leere Packung Hostess Ding Dongs. Letztere kickte sie im Vorbeigehen zur Seite. Ohne Zweifel hinterließen die neuen Bewohner der Eisstation Grendel hier ihre einzigartigen Fußspuren.
Ziemlich bald hatte Amanda die Orientierung verloren. Aus allen Richtungen trafen Gänge aufeinander. An einer der Kreuzungen blieb Dr. Ogden stehen und suchte die Wand mit der Taschenlampe ab.
Jetzt erst fielen Amanda die aufs Eis gesprühten Markierungen auf. Anscheinend waren sie ziemlich frisch und unterschieden sich in Farbe und Form: rote Pfeile, blaue Kringel, orangefarbene Dreiecke. Bestimmt waren das Wegzeichen, die die Wissenschaftler angebracht hatten.
Henry berührte einen grünen Punkt, nickte und ging in die angezeigte Richtung weiter.
Inzwischen waren die Tunnel enger und niedriger geworden. Amanda musste sich bücken, während sie dem zielstrebigen Biologen immer weiter ins Herz der Eisinsel folgte. In der seltsam reglosen Luft funkelten Eiskristalle im Licht der Taschenlampe. Manche Wände waren so durchsichtig, dass Amanda im Eis gefangene Luftblasen sehen konnte, glitzernd wie Perlen.
Sie fuhr mit einem behandschuhten Finger an der Wand entlang. Glatt wie Seide. Solche Tunnel und Höhlen bildeten sich, wenn das Eis an der Oberfläche in der Sommerwärme schmolz, warmes Wasser durch Risse und Ritzen drang, nach unten floss und Schächte und Taschen bildete. Irgendwann gefror die Oberfläche dann wieder, versiegelte und konservierte das Höhlensystem in der Tiefe.
Amanda konnte die Augen nicht von den blauen Glaswänden abwenden. Ihre Schönheit erwärmte die kalte Luft. Doch vor lauter Bewunderung achtete Amanda einen Moment nicht mehr auf den Untergrund und glitt aus. Nur in letzter Sekunde konnte sie sich noch festhalten und einen Sturz verhindern.
Dr. Ogden warf einen Blick zurück. »Vorsichtig! Von hier an ist es ziemlich glitschig.«
Sagen Sie bloß! , dachte sie und rappelte sich auf. Dann merkte sie, dass der Pfeiler, der sie gerettet hatte, keineswegs aus Eis war, sondern ein Stück Fels, das aus dem Eis ragte. Während Dr. Ogden schon weiterging, starrte sie den Stein noch einen Moment lang an. Natürlich, das musste eine der vielen Inklusionen sein, von denen die Geologen so schwärmten. Fast ein wenig ehrfürchtig berührte sie den Stein noch einmal. Dieses Stück Fels war vor Jahrtausenden von wer weiß welcher Landmasse abgebrochen.
Finsternis breitete sich um sie aus, als der Biologe vor ihr mit seiner Taschenlampe um eine Kurve verschwand. Rasch eilte Amanda ihm nach und bedauerte, dass sie nicht selbst auch noch eine Lampe mitgenommen hatte. Jetzt musste sie aufpassen, wohin sie trat, denn der Gang war nicht mehr mit Sand ausgestreut. Diesen Teil des Kriechkellers hatten die Geologen anscheinend noch nicht erkundet.
Henry drehte sich um. »Wir sind gleich da.«
Amanda ließ den Blick umherschweifen. Hier weitete sich der Tunnel. In den glasigen Wänden hingen Steinbrocken – eine festgefrorene Lawine. Tiefer im Eis verhüllten dunkle Schatten die oberen Regionen. Wahrscheinlich kamen sie jetzt zu einer Ansammlung von Inklusionen.
Mit einer letzten Biegung öffnete sich der Tunnel zu einer großen Höhle. Wieder geriet Amanda ins Rutschen und schlidderte ein Stück aus dem Gang, fing sich aber, indem sie rasch die Arme ausbreitete.
Einen Augenblick stand sie still und staunte. Der Boden der Höhle hatte die Ausmaße einer olympischen Eisbahn. Aber das vergaß sie sofort wieder, als sie begriff, wie breit und hoch die Höhle war. Über und um sie herum erhob sich eine natürliche Kathedrale, halb aus Eis und halb aus Stein !
Wo sie stand, war Eis, aber die hintere Hälfte der Kammer war massiver Fels, sogar noch ein Stück der Decke.
Als sie eine Berührung am Ellbogen spürte, schrak sie zusammen. Aber es war nur Dr. Ogden. Seine Lippen bewegten sich.
»Es
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