Mission Arktis
nicht so einfach ad acta legen, aber sie konnte Ogdens Argument auch nicht ignorieren. Erst im Lauf des letzten Jahrzehnts, also mit der Entwicklung der modernen Technologie und den entsprechenden Werkzeugen, war die Arktis richtig erforscht worden. Sogar Amandas eigenes Team in der Driftstation Omega bestimmte jede Woche eine neue Spezies. Bisher waren die Entdeckungen allerdings einfach neue Arten von Phytoplankton und Algen gewesen und nichts annähernd so Spektakuläres wie die Kreaturen, die sie gerade gesehen hatte.
»Die Russen müssen die Tiere beim Bau der Basis entdeckt haben«, fuhr Henry fort. »Vielleicht haben sie sie auch ihretwegen errichtet. Wer weiß?«
Amanda fiel ein, was Henry vorhin gesagt hatte: Das ist der Grund, warum die Station hier errichtet wurde. »Wieso glauben Sie das?« Plötzlich ging ihr durch den Kopf, was sie auf Ebene vier gefunden hatten. Diese neue Entdeckung, so erstaunlich sie auch war, schien allerdings in keiner Weise damit zusammenzuhängen.
Henry musterte sie. »Ist das nicht offensichtlich?«
Amanda runzelte die Stirn.
» Ambulocetus Fossilien wurden erst in den letzten Jahren entdeckt.« Er deutete auf die Felsspalte. »Im Zweiten Weltkrieg wusste man nichts von ihnen. Daher haben sich die Russen natürlich einen eigenen Namen für das Monster ausgedacht.«
Staunend starrte Amanda ihn an.
»Sie haben ihre Basis nach der Kreatur benannt«, fügte Dr. Ogden unnötigerweise hinzu. »Eine Art Maskottchen, denke ich.«
Amanda blickte hinunter auf den gefrorenen See, zu Jem Biest, das dort unter dem Eis lauerte. Jetzt wusste sie, was sie dort wirklich sah. Das Monster der alten nordischen Legende.
Grendel.
2. Akt
Feuer und Eis
KAPITEL 5
Glitschiger Abhang
8. April, 21:55 Uhr
In der Luft über der North Slope, Alaska
Matt saß zusammengesunken auf seinem Sitz. Schnarchen tönte durch die Kabine der Twin Otter, aber es kam weder von dem schlafenden Reporter noch von Jennys dösendem Vater, sondern von Bane, der rücklings quer über der dritten Sitzreihe lag. Bei einem besonders lauten Schnarcher erschien ein winziges Lächeln auf Matts Gesicht.
»Ich dachte, du wolltest seine Nasenscheidewand richten lassen«, sagte Jenny.
Jetzt wuchs sich das angedeutete Lächeln zu einem echten aus. Bane hatte schon als Welpe geschnarcht, als er noch zusammengerollt auf dem Fußende ihres Betts geschlafen hatte, und sie hatten sich schon immer köstlich darüber amüsiert. Matt setzte sich auf. »Der Chirurg aus Nome meinte, dass der Eingriff für Banes Nase viel zu heftig wäre. Am Schluss würde der arme Hund aussehen wie eine Bulldogge.«
Jenny antwortete nicht, aber Matt riskierte einen kurzen Seitenblick. Zwar starrte sie geradeaus, aber er bemerkte die kleinen Fältchen in ihren Augenwinkeln. Traurig amüsiert.
Matt schlug die Arme übereinander und fragte sich, ob das die Grenze dessen war, was er bei ihr erreichen konnte. Momentan war es jedenfalls genug.
Er blickte aus dem Fenster. Der Mond war beinahe voll und warf seinen silbernen Glanz über die schneebedeckten Ebenen. Hier im hohen Norden hatte der Winter das Land noch fest im Griff, aber ein paar Frühlingsboten waren schon zu sehen – neblige Bäche, hier und da ein Schmelzwassersee. Ein paar Karibuherden sprenkelten die Tundra, bewegten sich gemächlich durch die Nacht, folgten den Wasserwegen der Schneeschmelze, taten sich an Rentierflechten und Preiselbeersprossen gütlich und futterten das Muskeg, die allgegenwärtigen Grasbüschel, die in der tauenden Sumpferde wurzelten, jedes so groß wie ein reifer Kürbis.
»Wir können von Glück sagen, dass wir Deadhorse vorhin angefunkt haben«, murmelte Jenny. Interessiert sah Matt sie an.
»Was meinst du damit?«
Nachdem sie Arrigetch verlassen hatten, war es ihnen gelungen, mit dem Behelfsflugplatz in Prudhoe Bay auf Alaskas North Slope Kontakt aufzunehmen. Dort hatten sie die Zivil- und Militärbehörden über die Jagd durch die Brooks Range informiert. Am Morgen sollten Helikopter losgeschickt werden, um nach den Trümmern der Cessna zu suchen. Bald darauf sollten sie nähere Auskünfte über ihre Verfolger erhalten. Außerdem hatte Matt noch Carol Jeffries erreicht, die Bärenforscherin drüben in Bettles. Sie kannte Jennys Hütte und wollte ein paar Leute hinüberschicken, die sich um die Hunde kümmerten. Craig hatte auch mit seinem Kontaktmann in Prudhoe gesprochen. Wenn er seine Vernehmung hinter sich hatte, würde der Reporter eine ungeheuerliche
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