Mission Arktis
»Sei ein guter Junge!«, ermahnte sie ihn.
Klopf … klopf … klopf …
Matt trat neben sie und kraulte Bane hinter den Ohren.
»Morgen sind wir schon wieder zurück, mein Großer.« Jenny sah ihn skeptisch an. Bane war die letzte Verbindung zwischen ihnen, ein Stück geteilte Liebe. Als
Matt merkte, dass sie ihn anschaute, hielt er ihrem Blick
einen Moment stand, doch dann wurde es ihm unbehaglich und er wandte sich als Erster wieder ab.
»Ich werde gut auf Ihren Hund aufpassen«, versprach einer der Unteroffiziere, als Jenny aufstand. Er hielt Banes Leine in der Hand.
»Das sollten Sie auch«, konterte Matt.
Der zwanzigjährige Knabe nickte. »Mein Dad hat zu Hause ein Husky Gespann.«
Überrascht musterte Jenny den jungen Mann. Er hatte olivfarbene Haut und in seinen Augen leuchtete eine Mischung aus Unschuld, Jugend und Überschwang. Allem Anschein nach war er indianischer Abstammung, vielleicht von den Aleuten. Sie las den Namen, der auf sein Schildchen aufgestickt war. »Tom Pomautuk.« Ihre Augen weiteten sich. »Sie sind doch nicht zufällig Snow Eagles Sohn, oder? Jimmy Pomautuks Sohn?«
Jetzt sah auch er sie überrascht an. »Sie kennen meinen Dad?«
»Er hat neunundneunzig beim Iditarod mitgemacht. Und ist als Dritter durchs Ziel gegangen.«
»Stimmt genau«, erwiderte er mit einem stolzen Grinsen., »Ich war auch dabei. Er hat mir geholfen, als ich mich mit meinem Gespann so verheddert hatte, dass der Schlitten umgekippt ist.« Jetzt, wo sie wusste, dass Snow Eagles Sohn auf Bane aufpasste, fühlte sie sich schon viel wohler bei dem Gedanken, ihn zurücklassen zu müssen. »Wie geht es Nanook?«
Sein Lächeln wurde noch breiter, allerdings auch ein wenig traurig. »Er wird alt. Er fährt nicht mehr selbst, sondern hilft nur noch meinem Vater. Aber wir haben auf Fox Island einen seiner Welpen im Training.« Sewell unterbrach die beiden. »Wenn Sie nicht vom
Sturm erwischt werden wollen, müssen Sie dringend aufbrechen.«
Jenny tätschelte Bane noch ein letztes Mal. »Pass gut auf Tom auf!« Dann wandte sie sich ab.
»Ich lasse Bane nicht gern bei einem Fremden«, grummelte Matt neben ihr.
»Du kannst gerne bei ihm hier bleiben«, meinte Jenny, drängte sich an ihm vorbei und eilte mit den anderen zur Tür.
Matt folgte, ein mürrischer Schatten in ihrem Rücken. Die Gruppe trat hinaus in die Frostluft, wo die Neonbeleuchtung der Hütte vom Dämmerlicht des bedeckten Himmels abgelöst wurde. Die Sonne war nur ein matter Schein in der ewigen Dämmerung, gefangen zwischen Tag und Nacht. Seit heute Morgen hatte sich der Horizont rund um die Station zusammengezogen. Eisnebel. So stellte sich Jenny immer das Fegefeuer vor: eine endlose weiße Dämmerung.
Mit dem ersten Atemzug drang ihr die Kälte bis in die Brust hinab. Eiswasser füllte ihre Lungen. Sie hustete.
Schon jetzt war die Temperatur deutlich gefallen. In solcher Kälte war jedes ungeschützte Stück Haut von Frostschäden bedroht. Jedes Nasenhärchen wurde zu einer Eisborste. Sogar die Tränen froren in den Tränenkanälen. Ein unmöglicher Ort, um zu überleben. Als sie aus dem Windschatten der Jamesway-Hütte kamen, zog und zerrte der Wind an ihrer Kleidung und suchte nach warmer Haut. In der scharfen Brise konnte Jenny den herannahenden Sturm riechen.
In der Gruppe arbeiteten sie sich geduckt zu den beiden geparkten Sno-Cats vor.
Ein fernes Donnern hallte und rollte übers Eis. Craig blickte um sich. »Was war denn das?« »Zerbrechende Eisschollen«, antwortete Jenny. »Der Sturm wühlt das Eis auf.« Gleich darauf krachte und knallte es erneut, wie Donner hinter dem Horizont. Jenny spürte es durch ihre Stiefel. Der herannahende Sturm würde höllisch werden.
Als sie die Fahrzeuge erreichten, führten zwei NavyMänner Jenny und ihren Vater zu einem davon, während Craig und Matt von ihrer bewaffneten Eskorte zum anderen geleitet wurden. Trotz der Kooperationsbereitschaft, die sich daran zeigte, dass man ihnen gestattete, die russische Basis zu besuchen, war Sewell auf Nummer sicher gegangen, hatte ihre Gruppe aufgeteilt und eine ständige Wache abgestellt.
Einer der Wächter öffnete die Tür des ersten Schneemobils. »Ma’am, Sie und Ihr Vater steigen bitte hier ein.« Jenny zog den Kopf ein und kletterte in das Fahrzeug, dankbar, dem Wind zu entkommen.
Der Fahrer, in einem blauen Uniformparka, saß bereits in seinem Sitz. Er nickte ihr zu, als sie neben ihm auf der Bank Platz nahm. »Ma’am.«
Sie sah ihn
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