Mission auf Leben und Tod: Roman (German Edition)
präzise Entfernung vom Fenstersims zum Rednerpult.
Das Teleskopvisier war für seine letzten Schüsse – damals auf die roten Positionslichter am Kran in Brixham – noch auf 600 Meter eingestellt. Das musste also nachjustiert werden, was er sofort in der Dunkelheit vornehmen wollte und nicht erst morgen bei hellem Tageslicht.
Er streifte die Autohandschuhe über und öffnete den Werkzeugkasten, entnahm die kostbaren Einzelteile des Gewehrs und setzte sie sorgfältig zusammen. Dann schob er vorsichtig das Fenster einen halben Meter weit nach oben und blickte über den Platz. Er trat zurück und sah durch das Visier, das wie zu erwarten alles unscharf wiedergab. Ruhig drehte er in dem dunklen Lagerraum, mitten auf der Werft in Saint-Nazaire, an dem Präzisionsrädchen, mit dem er das Podium allmählich in den Fokus rückte und scharf stellte.
Schließlich umfasste er das Gewehr fester und richtete es zur Feinjustierung direkt auf das Mikrofon. Dessen Chromhalterung glitzerte im Licht der Laternen. Nahezu lautlos stellte Mack es scharf; fast nichts war zu hören, nur die drei winzigen Klicks des Rädchens, mit denen Mack Bedford ganz sachte Henri Foches Todesurteil unterzeichnete.
KAPITEL ZWÖLF
Kurz nach Mitternacht sperrte Mack die Tür ab. Bis dahin hatte er darauf geachtet, die Tür zum fünften Stock offen zu lassen. Aber das ging schlecht, wenn er ein wenig schlafen wollte. Die verriegelte Tür würde ihm einen kleinen Zeitvorteil verschaffen, falls jemand herein wollte. Er zerlegte das Gewehr, um, falls nötig, sofort die Flucht ergreifen zu können, und nahm den Werkzeugkasten mit sich, als er auf das oberste Regalbrett stieg und dort erfolglos versuchte, es sich bequem zu machen.
Schließlich kletterte er hinunter, griff sich die Lebensmitteltüte und breitete sie oben auf dem Regal aus, brach das Baguette in der Mitte entzwei, legte die Salami strategisch gegen die Perrier-Flasche und schuf sich damit ein denkbar unkomfortables Kissen.
Seit 48 Stunden hatte er nicht mehr geschlafen. Er wäre auch auf einem Karussell eingeschlummert. Es dauerte keine zwölf Sekunden, bis er hoch oben auf dem Regal, den Kopf auf die Salami gebettet, in tiefen Schlaf fiel.
Er träumte lebhaft, auch der Traum, der sich jede Nacht in sein Unbewusstes schlich, ließ sich vom harten Regalbrett nicht abhalten. Erneut musste er hilflos mit ansehen, wie die Diamondhead-Raketen in die Panzer schlugen und Billy-Ray und Charlie bei lebendigem Leib verbrannten. Ihre Schreie hallten im Traum wider, erneut hörte er das Röhren der blauen Flammen, ohne dass er zu seinen Jungs konnte, worauf er schweißgebadet und mit Tränen in den Augen aufwachte. Er rang nach Atem. Klar und deutlich stand ihm wieder das Gesicht vor Augen, das für
ihn alle Niedertracht der Welt verkörperte. Das Gesicht von Henri Foche.
Er nahm das provisorische Kissen auseinander und öffnete das Perrier, trank in langen Zügen fast die halbe Flasche leer, ordnete alles neu, legte sich flach auf den Rücken, versuchte sich zu entspannen und an Tommy und Anne zu denken. Diesmal stellten sich angenehmere Träume ein; er hielt sie beide in den Armen, schützte sie, rettete sie, wie er es als SEAL geschworen hatte – für jene zu kämpfen, die nicht für sich selbst kämpfen können.
Gegen vier Uhr, als vom unteren Stockwerk Geräusche zu hören waren, wurde er wach. Er sprang vom Regal und schlich sich zum Fenster. Am Wachhäuschen war nichts zu erkennen, der Lärm unter ihm wurde ebenfalls nicht lauter. Schließlich hörte er, wie das Tor des Lagerhauses zugeknallt wurde, und er sah drei Männer, die auf Stahlkarren zwei große Kisten zum Trockendock 2 zogen, dem Dock, an dem alle Lichter brannten.
Er stieg wieder auf das Regal, fand aber keinen Schlaf mehr. In den folgenden zwei Stunden bis zum Sonnenaufgang dachte er über die unmittelbare Zukunft nach … Was passiert mit Tommy und Anne, wenn ich heute sterben sollte? Mit der Abfindung und Harrys zweiter Million sollte genügend Geld da sein. Aber keiner wird je erfahren, wer ich bin, also werde ich im Friedhof irgendeines französischen Gefängnisses beigesetzt. Als unbekannter Attentäter. Bei dem Gedanken lief ihm – wie jedem US-Navy-SEAL – ein Schauer über den Rücken. Zu den stolzesten SEAL-Traditionen gehörte es, nie jemanden, ob tot oder lebendig, auf dem Schlachtfeld zurückzulassen. Dem SPECWARCOM war es ein Gräuel, und es war die unausgesprochene Angst der kämpfenden
Weitere Kostenlose Bücher