Mission auf Leben und Tod: Roman (German Edition)
durchzogen von den leuchtend weißen Spuren der Geschosse. Ihm war, als hätte sich der Himmel bewölkt, denn das rote Hafenfeuer links über sich konnte er nur erahnen. Und dann erschien ihm das Wasser klarer, weiter, und er vollführte seine Wende, volle 112 Grad nach links – eins-eins-zwei rot auf Kurs eins-eins-drei, wie er zu SEAL-Zeiten noch gesagt hätte.
Vor ihm lag die längste, härteste Strecke, die er jemals in Angriff genommen hatte. In Strömungen wie diesen konnte man sterben, man konnte hinaus ins Meer getrieben und niemals wieder gesehen werden. Mack kannte die Gefahren. Den Großteil der drei Wochen hatte er sich mental auf diese lange Unterwasserstrecke vorbereitet.
In Gedanken war er immer wieder durchgegangen, wie es sein würde, wenn er vom Tatort flüchtete. Ohne das Angriffsboard
hätte er es nie versucht, dieses hervorragende Navigationsgerät, das schon Tausenden von SEALs das Leben gerettet hatte. Das Board würde ihm den Weg weisen, würde dafür sorgen, dass er auf Kurs blieb, würde ihn korrigieren, ihn leiten und warnen, falls er Gefahr lief, diesen Kampf zu verlieren.
Tief unter sich auf dem Grund der Loire erhaschte er das schwarz-silberne Schimmern eines Steinbutts, der die Flussmündung kreuzte. Er musste an Tommy denken; Tommy, der angelte, der den Fisch rauszog. Immer Tommy. Es verlieh ihm Kraft, der Gedanke an seinen kleinen Jungen … ich komme nach Hause, Junge. Vertrau mir, ich komme heim.
Er legte alle Kraft in den Beinschlag, hinüber zum Südufer, diagonal durch den Fluss bis über den hoch aufragenden Südpfeiler der Saint-Nazaire-Brücke hinaus. Er zählte die Beinschläge mit, zählte die Minuten und wusste, dass er nach jeweils drei wieder 100 Meter zurückgelegt hatte.
Das GPS bestätigte, dass er nach 20 Minuten fast 800 Meter hinter sich hatte. Bislang war er durch die Gezeiten nicht von seinem Kurs abgetrieben worden. Wie bei allen Flüssen ist der Gezeitenstrom in der Flussmitte bei Ebbe weniger ausgeprägt als bei Flut. Mack war sich bewusst, dass ihm in der nächsten Viertelstunde das Leben erheblich erschwert werden würde.
Laut seiner Berechnung war er seinem Zeitplan ein klein wenig voraus. Bislang spürte er nur einen sehr schwachen Schmerz in den Oberschenkeln, dort, wo es immer wehtut beim Langstreckenschwimmen. Er hatte es sogar bei seinen Bahnen in Harrys Country Club gespürt. Ihm war, als wäre er erneut zu Saddams Bohrinsel unterwegs. Mein Gott, wie hatte er sich in jener Nacht gefühlt. Aber er hatte sich durchgekämpft, egal, wie schwer es war. Ich komme heim, Tommy.
Mack tauchte auf seiner gewöhnlichen Tiefe von sechs Metern und lauschte auf näher kommende Schiffsschrauben. Nur wenige Schiffe haben einen Tiefgang von sechs Metern – die
meisten kommen kaum auf drei Meter –, trotzdem wollte er nicht von den riesigen Propellerflügeln eines leise dahinfahrenden Öltankers in zwei Teile geschnitten werden.
In dieser Tiefe ist von den Oberflächengeräuschen kaum etwas zu hören, Schiffsschrauben in seichten Gewässern allerdings verursachen ein charakteristisches Rauschen. Er hatte bereits zwei oder drei weit hinter sich vernommen.
Die Helikopter der Küstenwache waren mittlerweile in der Luft, einer schwebte über dem Hafenbecken, die anderen beiden knatterten tief über die Uferabschnitte in der Nähe der Kais. Zur Suche am Nordufer des Flusses wurde alles aufgeboten. 1100 Männer, drei Hubschrauber, sechs Patrouillenboote, Radar, Sonar im Hafen, Maschinenpistolen, die die Wasseroberfläche aufwühlten. Nur selten in der Geschichte waren so viel Technik und Grips auf so begrenztem Gebiet und in so kurzem Zeitraum auf einen einzigen Mann gerichtet gewesen.
Pierre Savary wurde von Minute zu Minute nervöser. Es ging mittlerweile seit fast einer Stunde so. Jeder Küstenwachkommandant, jeder Offizier der Sicherheitskräfte, sogar Paul Ravel, alle waren der Meinung, dass es nur eine Möglichkeit gab: Gunther, oder wie zum Teufel er auch immer heißen mochte, konnte nicht mehr am Leben sein. Es war nur allzu wahrscheinlich, dass er den Sprung aus dem Lagerhaus nicht überlebt hatte oder im Hafenbecken ertrunken oder erschossen worden war. Wie sollte der Schweizer Attentäter gegen dieses massive Aufgebot bestehen können?
Savary allerdings war sich dessen nicht so sicher. Dieser Gunther hatte auf seinem Weg nach Saint-Nazaire jeden Polizeibeamten Frankreichs hinters Licht geführt. Es war ihm gelungen, die scheinbar unüberwindlichen
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