Mission auf Leben und Tod: Roman (German Edition)
beiden Krankenwagen nicht, die mit heulenden Sirenen auf die Werft kamen. Ebenso entging ihm das hörbare Aufstöhnen der Menge, als auf einer Bahre Henri Foche, Körper und Gesicht von einem weißen Laken bedeckt, durch die Hecktür geschoben wurde. Viele der weiter entfernt stehenden Zuschauer glaubten noch immer, er sei von einer plötzlichen Übelkeit befallen worden.
Als sich Claudette wieder aufrichtete, war ihr gelbes Chanel-Kostüm über und über mit Blut verschmiert. Frauen kreischten. Und die Werftsirenen gellten lautstark los.
Nachdem nun die örtliche Polizei, die nationalen Sicherheitskräfte und die Küstenwache im Einsatz waren, kam es unweigerlich zu chaotischen Zwischenfällen, Meinungsverschiedenheiten und Kompetenzgerangel. Die Leichen wurden aus dem Lagerhaus geschafft, jemand wollte den Mörder entdeckt haben, jemand anderes schwor bei Gott, er befände sich noch immer im Hafenbecken.
Einer der Vorgesetzten befahl seine Männer des besseren Blicks wegen aufs Dach des Lagerhauses; Savary bestand darauf, das Feuer auf den Hafeneingang zu richten, den der Flüchtende passieren musste – falls er das nicht längst getan hatte. Die Küstenwache, mit Mordermittlungen wenig vertraut, verlangte von der Polizei ein Gesuch um Amtshilfe, bevor sie jedes verfügbare Patrouillenboot zum Einsatz brachte.
Savary war davon überzeugt, dass der Attentäter noch im Wasser war und irgendwo versuchen musste, wieder herauszukommen. Dem Befehlshaber der Küstenwache sagte er: »Schaffen Sie so schnell wie möglich jedes Boot heran, das sich im Hafen oder in unmittelbarer Nähe befindet, und überwachen Sie
damit das Nordufer. Irgendwo muss er an Land gehen. Schließlich ist er ja kein Fisch.«
»Nein, Monsieur, er ist kein Fisch. Wir werden die Wasseroberfläche mit Radar abdecken. Die Hubschrauber werden in einer Viertelstunde starten. Wir haben drei davon. Also zum Nordufer und dem Hafen?«
»Ich denke schon. Oder meinen Sie, dass er es bis zur anderen Flussseite schaffen kann?«
»Wenn auf ihn ein Schnellboot gewartet hat, dann wäre das möglich. Aber das gab es nicht. Bereits drei Minuten nach den Schüssen haben wir die Oberfläche überwacht. Radarerfassung läuft ständig. Die Marine besteht darauf.«
»Ich meinte eigentlich, ob er hinüberschwimmen kann?«
»Schwimmen? Nein, nein, ganz ausgeschlossen. Das kann ich mir nicht vorstellen, jedenfalls nicht ohne Begleitboot. Dabei sind Leute schon ertrunken oder bei ablaufender Flut aufs Meer hinausgezogen worden.«
Pierre Savary starrte über die breite Flussmündung hinüber zum fernen Ufer. »Gut«, sagte er, »und was, wenn er der beste Schwimmer der Welt wäre? Ein Olympiasieger, mit Begleitboot, ohne ablaufende Flut? Wie lange würde er dazu brauchen?«
»Na ja, Luftlinie sind es knapp über zwei Kilometer. Schwer vorstellbar, dass das jemand an dieser Stelle in einer Stunde schafft. Eineinhalb Stunden würde ich schätzen … ich weiß nicht … vielleicht länger. Je länger die Strecke, umso langsamer wird man, wenn man schwimmt. Wenn Sie mich fragen, ohne große Sauerstoffflaschen und ohne Elektromotor ist das nicht zu schaffen.«
»Okay. Das heißt also, er ist immer noch hier, entweder im Hafen oder entlang der Kais.«
»Wenn er noch im Hafen ist, Monsieur, ist er so gut wie tot. Denn dann wäre er jetzt schon mindestens zwölf Minuten drin. Wenn Sie mich fragen, suchen wir nach einer Leiche.«
Mack, noch immer zehn Meter unter der Oberfläche, hatte es nicht eilig, als er zur äußeren Hafenmauer tauchte. Er sparte sich seinen Sauerstoff für die Reise auf, die im Grunde noch gar nicht begonnen hatte. Das Angriffsboard vor sich an den ausgestreckten Armen, bewegte er sich so glatt durchs Wasser wie ein langer schwarzer Aal. Das Dräger gab keine Luftblasen von sich, die metallgraue Taucherbrille glitzerte nicht im Wasser, die SEAL-Flossen erzeugten keinen Strudel, kein Kräuseln der Oberfläche.
Die Anzeigen auf dem Angriffsboard lauteten: Zeit 1658. Kompass zwei-zwei-fünf. GPS 47.28 Nord, 2.187 West. Kurz vor fünf, wusste Mack, würde im Westen die Sonne untergehen. So passierte er unter dem Gewehrfeuer die Hafeneinfahrt und suchte dazu die westliche Hafenmauer, wo die Schatten am längsten wären. Als rechts von ihm die dunkle hochaufragende Betonwand auftauchte, ging er vier Grad nach links, berührte fast die Mauer und tauchte unter den Augen, aber nicht in Sichtweite der Sicherheitskräfte hindurch.
Über ihm war das Wasser
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