Mission auf Leben und Tod: Roman (German Edition)
dass menschliche und elektronische Augen ihn nicht mehr erfassen konnten, so tief, wie der Fluss es erlaubte.
Erneut änderten sich die Zahlen – 2.166 West. Wunderbar. Wenn er einfach nur weitertauchte, würde er es schaffen. Er würde es schaffen, für Tommy und für Anne. So strengte er sich noch mehr an – Bamm! Bamm! Eins … zwei … drei … vier. Die Brücke musste ganz nah sein, und um 1829 stieg er nach oben, bis er nur noch zwei bis drei Meter unter der Oberfläche war. Irgendwo im Süden hörte er das gleichmäßige Stampfen einer relativ kleinen Maschine, vielleicht eines Schleppers oder eines Fischtrawlers.
Und dort war die Brücke. Er sah sie durch die Taucherbrille, vielleicht 100 Meter vor sich. Er hatte etwas mehr als die Hälfte des Flusses hinter sich, da die Breite noch immer mit 47.276 angegeben wurde. Er ging in die Tiefe, bis das Wasser fahl und schwarz wurde und über ihm nur noch Dunkelheit herrschte.
Pierre Savary am Ufer war am Ende seines Lateins. Noch immer waren Boote, Hubschrauber und Sicherheitskräfte mit der Suche beschäftigt und taten ihr Bestes. Sie hatten alles durchkämmt, was man am Nordufer durchkämmen konnte. Sie hatten einheimische Fischer und Frachterkapitäne befragt und damit begonnen, mit einem Schleppnetz den Grund des Hafenbeckens nach Gunthers Leichnam abzusuchen. Tief fliegende Hubschrauber
donnerten kaum fünf Meter über der Wasseroberfläche entlang.
Savary hatte mehr oder minder genug von dieser Operation, die augenscheinlich zu nichts führen würde. »Paul«, sagte er zu seinem ebenso besorgten Untergebenen, »wir müssen die Südküste überprüfen. Wir müssen das alles zur anderen Flussseite verlegen.«
»Aber wir wissen doch, dass es ganz unmöglich ist, dort hinüber zu kommen«, erwiderte Ravel. »Die Küstenwache sagt, das würde er nie und nimmer schaffen. Er würde es nicht überleben.«
»Offen gesagt, es interessiert mich nicht die Bohne, was sie sagen, nicht jetzt. Wir werfen alles zur anderen Seite. Streifenwagen, Boote, Hubschrauber und die Männer.«
Pierre Savary gehörte zu jenen gebildeten Franzosen, die immer aussahen, als kämen sie geradewegs aus einem Rugby-Gedränge. Er konnte nichts dafür, sein Gesicht vermittelte stets einen leicht mürrischen Eindruck, selbst wenn er lächelte. Er hatte immer einen Fünf-Uhr-Schatten, und ihn umgab stets eine Aura skrupelloser Kompromisslosigkeit, die er zuweilen sorgsam pflegte. Die mürrische Miene an diesem Nachmittag aber war echt. Er wusste nicht, warum so vieles hier schiefgelaufen war, aber so war es nun mal. Savary war wütend.
»Paul«, grummelte er, »ich werde diesen Kerl fassen. Und wenn es das Letzte ist, was ich mache.«
KAPITEL DREIZEHN
Um 18.30 war Gezeitenwechsel, ein zweimal am Tag stattfindendes Wunder. Die Strömung vom Fluss hinaus ins Meer wurde immer schwächer, bis sie allmählich ganz zum Erliegen kam und draußen vor Pointe de Saint-Gildas sich die mächtigen, schaumgekrönten Atlantikbrecher darauf vorbereiteten, gegen die Loire-Mündung anzubranden.
Wie immer dauerte es eine halbe Stunde, bis es so weit war. In dieser Zeit war dem müden Mack Bedford die erste Ruhepause vergönnt. Die Strömung ließ nach, und bald darauf floss sie weder in die eine noch in die andere Richtung. In den darauffolgenden 20 Minuten würde die Flussmitte direkt unter der Brücke dem BUD-Pool in Coronado gleichen. Es würde nur 20 Minuten anhalten, Mack wusste es so gut wie die Flussgötter. Mit aller Kraft schwamm er weiter, drehte dann volle 90 Grad nach rechts, Richtung Süden, quer über den jetzt ruhigen, gemächlichen Strom hin zum entfernten Ufer.
Er befand sich mittlerweile mehr als 400 Meter südlich der Flussmitte, sodass ihm noch 1200 Meter bevorstanden. Wenn er Zeit gutmachen wollte, dann war jetzt die Chance dafür. Er mobilisierte alle noch verfügbaren Kräfte, glitt, Beinschlag für Beinschlag, dahin und zählte bis zum nächsten Beinschlag, bis er glaubte, er müsse aufgeben und ertrinken. Aber wie sein BUD-Ausbilder einst gesagt hatte: Aufgeben, das steckt nicht in dir, Junge. Mack machte weiter, ohne zu wissen, ob der nächste Beinschlag, der große Doppelschlag, Bamm! Bamm! , sein letzter wäre. Die übersäuerten Muskeln pochten, die Oberschenkel fühlten
sich an, als wären sie aus Stein, sie waren hart und schmerzten, aber er quälte sich durch die Schmerzgrenze.
Er erinnerte sich an seine »Bibel«, das Buch über den America’s Cup von 1983 und das
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