Mission auf Leben und Tod
lassen wir uns nicht einfach so nehmen.«
»Das verstehe ich natürlich«, erwiderte Olivier Marchant. »Aber ich kann es nicht gutheißen, wenn wir die UN-Resolution bewusst unterlaufen. Es ist mir zu gefährlich … und wird sich letztendlich auch für Sie als tödlich herausstellen … wenn Sie Präsident sind, meine ich.«
Foche warf seinem altgedienten Kollegen einen Blick zu, der diesem deutlich zu verstehen gab, dass er ihn für einen Schmalspur-Judas hielt. »Dann, Olivier, wird Ihnen wohl nichts anderes übrig bleiben, als sich aus diesem Vorstand zu verabschieden. Was ich sehr bedauere.«
Erneut änderte sich Foches Miene. Ein höhnisches Grinsen blitzte auf, in dem abgrundtiefe Verachtung lag. »Was wir hier tun, Olivier«, sagte er, »ist nicht gegen das Gesetz, es steht über dem Gesetz. Und vergessen Sie nicht, es wäre äußerst unvorteilhaft, sollten Sie jemals auf die Idee kommen, mit den Gründen für Ihren Rücktritt an die Öffentlichkeit zu gehen.«
In dieser Sekunde dämmerte Olivier Marchant, in was für einer gefährlichen Lage er sich befand. Nur Foche selbst hatte eingehende Kenntnisse über die Diamondhead, ihre Entwicklung, ihre Geheimnisse, die Einzelheiten ihrer Steuerung. Nur Foche kannte die Exportrouten – besonders jene, die aus dem Wald von Orléans zu den Anlegestellen in Saint-Nazaire führten und von dort per Schiff nach Chah Bahar, der iranischen U-Boot-Basis am Golf von Oman nahe der pakistanischen Grenze. Der Ort, 650 Kilometer von der Straße von Hormus entfernt, unterlag höchster Geheimhaltung und diente als Umschlagplatz illegaler Hightech-Waffen, die von dort aus ihren Weg zu den skrupellosen Killern der Hamas, Hisbollah, El-Kaida und der Taliban fanden.
Trotz allem erhob sich Olivier Marchant und sagte ruhig: »Henri, ich werde Ihnen immer meine höchste Wertschätzung entgegenbringen. Aber ich kann – und werde – nicht einen offenen Verstoß gegen internationale Gesetze unterstützen. Das ist es nicht wert, und mein Gewissen verbietet es mir. Auf Wiedersehen, Henri.«
Damit ging er entschiedenen Schritts zu der von Marcel und Raymond flankierten Tür und verließ den Raum, ohne sich auch nur einmal umzudrehen. Henri Foche jedoch hatte das letzte Wort, bevor die Tür geschlossen wurde. »Auf Wiedersehen, mein alter Freund. Diesen Tag werden Sie vielleicht noch sehr bereuen.«
Olivier Marchant wusste, was auf dem Spiel stand. Ihm war klar, dass Foches Wahlkampf um das Amt des Präsidenten, den er von seiner bretonischen Heimatregion aus führte, mit großer Wahrscheinlichkeit von Erfolg gekrönt sein würde. Foche hatte recht, wenn er behauptete, dass es niemand wagen würde, gegen Montpellier zu ermitteln, nicht, wenn Henri französischer Präsident war.
Marchant war nicht nur ein rechtschaffener, sondern auch ein ängstlicher Mensch mit einer blühenden Fantasie. Er sah sich bereits in einem internationalen Gerichtshof sitzen, angeklagt mitsamt den anderen Vorständen von Montpellier Munitions der Verbrechen gegen die Menschlichkeit und des offenen Verstoßes gegen eine einstimmige UN-Resolution.
Er kannte Foche seit langem als skrupellosen Spieler, dessen moralisches Empfinden in etwa so ausgeprägt war wie das eines streunenden Straßenköters. Marchant selbst war ein wohlhabender Mann, er hatte eine sehr viel jüngere Frau und eine neunjährige Tochter. Nie und nimmer wollte er sein Leben, seine Familie und seinen Ruf gefährden. Nie und nimmer würde er sich eine Zelle mit einem Größenwahnsinnigen wie Foche teilen.
Langsam ging er zu seinem Büro, stopfte einige persönliche Dokumente in seine große Aktentasche und rief bei sich zu Hause an, einer prächtigen Residenz am Rand des kleinen Ortes Ouzouer. Seine Frau Janine war erfreut, dass er zum Mittagessen zu Hause sein würde, und noch erfreuter, als sie erfuhr, dass er auch keineswegs mehr in die doch eher finstere Rüstungsfabrik im Wald von Orléans zurückkehren wollte.
Marchant zog seinen Mantel an und verließ das Büro, ging zum Aufzug und fuhr zur zwei Stockwerke tiefer gelegenen Lobby. Ohne nach links oder rechts zu blicken, trat er aus dem Gebäude in den hellen Sonnenschein und schlug die Richtung zum kleinen Parkplatz für die Vorstandsmitglieder ein.
Er musste die Fernbedienung für die Zentralverriegelung des Wagens nicht betätigen, da sein Mercedes-Benz niemals abgeschlossen war. Montpellier Munitions war von einem hohen Maschendrahtzaun umgeben, die einzige Zufahrt wurde rund um
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