Mission auf Leben und Tod
Kannst du zu mir kommen? Anne ist mit dem Wagen weg.«
Zehn Minuten später fuhr Harry Remsons dunkelblauer Bentley in die Einfahrt. Mack schenkte ihnen beiden Kaffee ein. Dann klärte er ihn über die Gefahren des nächsten Schrittes auf, der getan werden musste, wenn Harry sein Vorhaben wirklich in die Tat umsetzen wollte. Mack erwartete, dass der oberste Boss der Werft sich furchtbar aufregen würde, wenn er ihm sagte, dass er an diesem Punkt aussteigen würde. Doch Harry nahm die Neuigkeiten sehr gelassen auf.
»Mack«, sagte er, »mir ist die Tragweite meines Vorschlags sehr wohl bewusst, und ich bin dir dankbar für das, was du bislang für mich getan hast. Deine Einwände allerdings sind schlicht und einfach nur lächerlich. Wenn man so reich ist wie ich, sind das alles Kleinigkeiten, die leicht zu überwinden sind. Ich möchte, dass du dort anrufst. Ich werde dir ein Telefon besorgen, das nicht zurückverfolgbar ist, mit dem rufst du in Marseille an, später wirfst du es ins Meer. Informiere sie über unsere Bedingungen und handle einen Preis aus. Es ist nur ein Geschäft, Mack, ein scheußliches zwar, aber trotzdem ein Geschäft. Sie verkaufen etwas; wir sind der Käufer. Verrate nicht zu viele Einzelheiten. Es reicht, wenn du sagst, dass das Geld auf ein Schweizer Bankkonto eingezahlt wird. Falls sie deiner Meinung nach die richtigen Leute dafür sind, bietest du ihnen 25 000 Dollar Vorschuss. Für die Vorbereitungen, du weißt schon – Zielperson ausfindig machen, Adressen auskundschaften, Karten erstellen, herausfinden, welche Wege er regelmäßig benutzt. Sie sollen uns die Daten per E-Mail schicken, damit wir beurteilen können, ob wir ihre Dienste in Anspruch nehmen wollen.«
Mack starrte Harry erstaunt an. »Darf ich dich etwas fragen?«, sagte er. »Wohin soll diese E-Mail mit den detaillierten Mordplänen geschickt werden? An die Werft? Auf Annes Computer? Wenn man dich tun und machen lässt, bringst du uns alle für die nächsten 20 Jahre hinter Gitter.«
Harry Remson grinste. »Mack, die E-Mail wird bei mir eintreffen, auf solch verschlungenen Wegen, dass dir der Kopf schwindeln würde, wenn du es verstehen wolltest. Jedenfalls landet sie irgendwann auf einem Computer, zu dem nur ich Zugang habe und der dann zerstört wird.«
Mack schüttelte nur den Kopf. »Mein Gott, Harry, mir war nicht bewusst, dass du so versiert bist, wenn es um internationale Kriminalität geht.«
Harry erhob sich und trank seinen Kaffee aus. »Ich bin mir der Risiken bewusst. Eine Operation wie diese läuft nicht ohne Risiken. Mack, ich muss los. Mach nichts, solange ich nicht das Handy organisiert habe.«
»Aber, Harry, ich soll dort in einer Viertelstunde anrufen. Ich denke, sie warten.«
»Dann ruf noch einmal an«, erwiderte Harry scharf. »Sag ihnen, wir melden uns morgen, zur gleichen Zeit. Bis dahin bin ich so weit.«
»Okay, Boss. Ich mach alles, was du sagst.«
Er sah dem Bentley nach, wie er aus der Einfahrt bog, und hoffte, dass Anne erst nach seinem 10.15-Uhr-Anruf zurückkommen würde. Er hatte Glück; sie war nur noch fünf Kilometer von zu Hause entfernt, hielt aber noch bei einem Laden an, um Einkäufe zu erledigen. Dr. Ryan hatte darauf bestanden, Tommy zur Beobachtung bis zum Nachmittag bei sich zu behalten. Der Junge schlief im Moment; Anne würde um ein Uhr wieder ins Krankenhaus fahren.
Mack wählte die Marseiller Nummer, bei der sich eine französische Stimme meldete. »Mr. Morrison? Pünktlich auf die Minute. Hier ist Raul. Man sagte mir, Sie hätten einen Auftrag?«
»Raul, ich brauche noch 24 Stunden. Ich werde morgen zur gleichen Zeit anrufen.«
»Okay, Mr. Morrison. Ich werde hier sein.«
Wenn es einen Ort gab, der wie geschaffen war für ein international operierendes Söldner- und Attentäterunternehmen, dann Marseille, die zweitgrößte Stadt Frankreichs. Die terrakottagedeckten Häuser, die vermüllten, von der Sonne aufgeheizten, stickigen Straßen, das charakteristische Mittelmeerflair, das joie de vivre – das alles verströmte eine Atmosphäre purer Gesetzlosigkeit. Die ausgedehnten Hafenanlagen, das windgepeitschte Meer, versteckt gelegene Buchten, felsenbestandene Anlandeplätze schufen mit dem heiteren Gleichmut der Bewohner die idealen Voraussetzungen, um hier jedes Verbrechen auf Erden zu begehen, ohne dass man jemals davon erfuhr. Narbengesichtige Franzosen und Marokkaner in gestreiften T-Shirts verliehen dem Ort das Gepräge eines Piratennests. Jeder rostige
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