Mission Eureka
ruf dich an!« schrie er hinter ihr her. Sie
reagierte nicht, sondern ging einfach weiter, bis sie seinen Blicken
entschwunden war. Als Swann den leeren Gang hinunterblickte, empfand er
ein Gefühl von Bedauern und Trauer, als hätte er etwas Wertvolles
verloren. Einen Christopher Swann lieà man nicht im Stich. Wenn einer
fortging, dann war er das. Es war sein Recht, das
Privileg des Krüppels. Ach, komm schon, sagte er leise zu sich selbst,
vergià es. Aber er konnte nicht. Jetzt war es an ihm, seine Sachen zu
packen. In seiner Schreibtischschublade war ein Foto von Meike,
aufgenommen bei ihrem gemeinsamen Picknick am See. Darauf lächelte
Meike ihn an. Er betrachtete es lange, dann schaute er auf seine Uhr.
Sie wohnte nicht weit vom Kontrollzentrum entfernt. Inzwischen war sie
wohl zu Hause angekommen. Er nahm den Hörer ab, wählte ihre Nummer und
wartete. Sie ging nicht dran. Nachdem er es achtmal hatte klingeln
lassen, legte er auf. Sie muÃte zu Hause sein; sonst wäre ihr
Anrufbeantworter eingeschaltet gewesen. Vielleicht stand sie unter der
Dusche. Er wartete eine Viertelstunde, dann probierte er es wieder.
Diesmal lieà er zehnmal klingeln, ehe er auflegte. Nach einer weiteren
Viertelstunde probierte er es erneut. Wieder nichts.
Vergià es, sagte er sich. Aber er konnte nicht.
Es
war nicht Waldeggs Art, darauf zu warten, daà andere sich rührten. Er
hatte den ganzen Tag gewartet. Er hatte das Problem überschlafen, aber
das hatte alles nur noch schlimmer gemacht. Seine Wut war zu einem
still vor sich hin schwelenden Groll heruntergebrannt, und nur noch ein
Gedanke beherrschte ihn: der Wunsch, sich zu rächen. Wie ein besiegter
Hund hatte er dem Rudel die Kehle angeboten, doch sie hatten ihm
einfach den Rücken gekehrt, hatten ihn zurückgewiesen zugunsten von
Altenburg und Goncourt. Die zwei Namen waren in seinem Geist zu einem
verschmolzen. Altenburg und Goncourt, Goncourt und Altenburg, Goncburg
und Altencourt â der gemeinsame Feind. Der eine hatte die
ungeheure Dreistigkeit besessen, ihm seine Frau auszuspannen und sie
dann abzuweisen, der andere hatte ihn schändlich verraten.
»Ihr
Gast ist gekommen, Signor.« Die Stimme des Kellners rief ihn in die
Gegenwart zurück. Er erhob sich und streckte dem groÃen Mann, der auf
seinen Tisch zugesteuert kam, lächelnd die Hand zum GruÃe entgegen:
Franz Kegel, die erste Sprosse auf der Leiter, die zu Goncourt führte.
Während
der Vorspeise ergingen sich die beiden Männer in freundlich-belanglosem
Small talk. Kegel machte ihm ein Kompliment zu der Wahl des
Restaurants. »Dieser herrliche Blick über Rom, wirklich sehr
eindrucksvoll!« schwärmte Kegel.
»Ich dachte mir, es
wäre vielleicht ganz reizvoll, an einem Ort zu essen, von dem aus Sie
Ihr Büro sehen können«, erwiderte Waldegg lächelnd und deutete mit dem
Finger. In der Ferne konnte man die Türme des Palazzo Foscari ausmachen.
»Sehr aufmerksam«, sagte Kegel.
»So können Sie den Laden im Auge behalten, gewissermaÃen«, sagte Waldegg, und Kegel kicherte in sein Weinglas.
Als
er eine Viertelstunde später wieder einmal gerade über eine launige
Bemerkung von Waldegg kicherte, lenkte dieser die Unterhaltung abrupt
in andere Bahnen.
»Ihr Bruder«, sagte er. »Ist er
zufrieden mit der Entwicklung seiner Waldegg-Aktien seit der
erfolgreichen Installation der Raumplattform?«
Kegel, eingelullt vom Wein und dem angenehmen Geplauder, antwortete: »Ich habe ihn jedenfalls nicht klagen hören.«
»Wenn man es recht betrachtet, mein lieber Kegel«, sagte Waldegg, »dann haben Sie diese kleine Gefälligkeit umsonst bekommen.«
Kegel blinzelte. »Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht ganz folgen.«
»Sie haben mir keinerlei Mittel von E UREKA verschafft, um die Plattform raufzukriegen. Wir haben es ganz allein gemacht, nur durch unseren Erfindungsreichtum.«
Kegel
setzte sein Weinglas ab und schob es von sich. »Sie meinen, durch den
Erfindungsreichtum eines Goncourt-Mannes«, erwiderte er. Spätestens
jetzt hatte er begriffen, daà es mit dem freundlichen Geplänkel und den
Nettigkeiten vorbei war.
»Jedenfalls nicht durch
irgendeinen Beitrag von Ihrer Seite«, sagte Waldegg. »Was bedeutet, daÃ
ich eine Gefälligkeit bei Ihnen guthabe.«
»Das sehe ich
absolut nicht so«, sagte Kegel und schaute auf seinen Teller. Ihm
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