Mission Munroe 03 - Die Geisel
Handlanger. Er musterte Neeva von Kopf bis Fuß und sagte dabei zu Munroe: »Ich glaube, diese Mädchen sind Ihnen mehr wert als mir.«
Während er ihr den Rücken zukehrte, machte Munroe einen weiteren vorsichtigen Schritt in seine Richtung, doch kaum hatte sie das getan, packte der Puppenmacher Neeva und zog sie an sich. Nahm seinem Mann die Pistole ab und drückte sie Neeva an die Schläfe. Presste ihre Wangen zusammen und drehte ihr Gesicht zu Munroe. In ihren Augen standen Tränen, und ihre Lippen wiederholten unablässig: Es tut mir leid, es tut mir leid .
Er sagte: »Wenn ich tot bin, hat keine von denen für mich einen Wert, deswegen, ja, werde ich sogar diese hier umbringen, wenn es nötig ist. Keinen Schritt weiter.«
Munroe blieb regungslos stehen.
Der Puppenmacher nickte dem Mann zu, dem er Neeva entrissen hatte, und dieser ging zur Treppe, um auch das zweite Teenagermädchen zu holen, das bis jetzt wie hypnotisiert und starr vor Angst stehen geblieben war. Sie drehte sich um und rannte kreischend den Weg zurück, den sie gekommen war. Er lief ihr nach und holte sie ein. Zerrte sie an den Haaren die Treppe herauf. Sie schlug wie wild um sich, während sie sich auf dem Beton und den Steinen die Kleider zerriss und die Haut blutig kratzte. Er trat sie, wieder und wieder, und sie rollte sich wie ein Fötus zusammen, versuchte, unter Kreischen und Flehen ihren Kopf und ihren Bauch zu schützen.
Die Sekunden vergingen unendlich zäh. Fast war es so, als sei die Zeit zum Stillstand gekommen. Bis auf den Pulsschlag in Munroes Ohren waren alle Geräusche verstummt. Aber zwischen den pulsierenden Schlägen blitzten immer wieder Chancen, Risiken und Strategien auf.
Sie hatte einen Schuss, um den Treter zu erschießen und dem Wahnsinn ein Ende zu bereiten, und zwar mit der linken Hand – die Chancen standen nicht gut.
Zug um Zug.
Wenn dieser erste Schuss gefallen war, würde das Mädchen sterben und Neeva möglicherweise auch.
Die Waffen würden sich gegen sie richten. Sie würde sterben. Und dann das andere Teenagermädchen und das Kind in der Zelle und Gott weiß, wer noch alles.
Das Blut rauschte in ihren Ohren. Der Wahnsinn hielt Einzug.
Entscheidungen. Entschlüsse.
Ich wünschte mir, erwürgt zu sein, und hätte den Tod lieber als meine Schmerzen.
Sie war bis hierher gekommen, obwohl ihr klar gewesen war, dass sie in eine Falle lief. In dem Bewusstsein, dass sie ihr Leben gelebt hatte und dass sie einverstanden war, falls es hier enden sollte. Sie sagte: »Stopp!«
Der Puppenmacher lachte, wiederholte das Kommando aber auf Albanisch, und der Mann hörte auf, das Mädchen zu treten, das jetzt schluchzend auf dem Boden lag. Die zerzausten Haare verdeckten ihr Gesicht. Neeva biss sich auf die Lippe, und ihre Miene wurde härter, angespannt und konzentriert, als ob sie gerade das gleiche Szenario, die gleichen Risiken, die gleichen Wahrscheinlichkeiten wie Munroe durchspielte und zu den gleichen Schlüssen gekommen war.
Der Puppenmacher lachte wieder, und es klang triumphierend. »Du bist schwach«, sagte er. »Du lässt dich ausnutzen, und gefährlich bist du nur, solange du in deinem Element bist und die Dinge unter Kontrolle hast – so leicht zu durchschauen und zu manipulieren, weil du nicht in der Lage bist, die wirklich schwierigen Entscheidungen zu treffen. Ein guter Mann hätte als Erstes diese Mädchen getötet, um nicht Gefahr zu laufen, dass sie für ihn zum Damoklesschwert wurden, bevor er sich auf die Suche nach mir gemacht hätte. Aber du? Du bist vollkommen wertlos.«
Eine Wolke vergeht und fährt dahin: So kommt nicht wieder herauf, wer zu den Toten hinunterfährt.
»Los, bring mich um«, sagte Munroe. »Ich weiß, dass du das willst.«
»Von all den Waren hier im Saal bist du die wertvollste, du bist die, für die ich den höchsten Preis erzielen kann«, sagte er. »Wenn ich dich ausliefere – sogar vollgestopft mit Drogen –, bekomme ich das Zehnfache von dem, was ich mit diesem Mädchen da verdienen könnte, und alles nur, weil du dir in den vergangenen Tagen so unglaublich viele Feinde gemacht hast.«
»Vorher würde ich mich selbst umbringen«, sagte sie.
»Auch dazu bist du nicht in der Lage.«
Neeva sagte: »Schieß doch, Michael, bitte, schieß doch.«
Der Puppenmacher versetzte Neeva einen Stoß in die Seite, und sie verzog das Gesicht.
»Was bekomme ich, wenn ich mich ergebe?«
»Du bekommst vier Leben«, erwiderte er. »Die kleinen Schweine und diese hier noch
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