Mission Munroe 03 - Die Geisel
stellte keine Fragen, aber er wusste es. Musste es wissen.
Der Boden war kalt, und Munroe rutschte hin und her, von einer unbequemen Position in die nächste. Sie war sich sicher, dass Breeden irgendwann in dieses Apartment zurückkehren würde, ein kleines Versteck, dessen Existenz Munroe schon seit Jahren bekannt war, ohne dass Breeden das wusste. Aber wann sie auftauchen würde und wie oft sie überhaupt hier war, das ließ sich beim besten Willen nicht sagen.
Während Breedens Gefängnisaufenthalt war ihr Haus bei einer Zwangsvollstreckung unter den Hammer gekommen und auch ihr Auto beschlagnahmt worden, aber der Kredit für diese Wohnung war weiterhin regelmäßig bezahlt und auch die Nebenkosten waren immer beglichen worden. Irgendetwas wartete hier auf sie, rief nach ihr, irgendetwas, was Breeden haben wollte oder brauchte. Und wenn dieses Ein-Zimmer-Apartment nur die letzte Zuflucht war, die ihr geblieben war: ein Dach über dem Kopf, ein Schutz vor der Kälte, eine vorübergehende Unterkunft, während sie sich neu aufstellte und neue Pläne schmiedete.
Die mitternächtliche Stille dehnte sich aus, und es roch nach brennendem Holz – das Wetter in Texas war unberechenbar. Selbst im Frühjahr gab es manchmal klirrenden Frost. Gelegentlich kam ein Scheinwerferpaar die Straße entlang und verschwand in einer Garage oder unter einem Carport, doch das Apartment lag immer noch genauso dunkel und unbewohnt da wie zuvor. Verlockend.
Die Versuchung hineinzugehen, sich in dem dunklen Raum auf die Lauer zu legen, ohne den Elementen ausgesetzt zu sein oder Gefahr zu laufen, zufällig entdeckt zu werden, war groß. Aber sie hatte keine Ahnung, was sie auf der anderen Seite der Tür erwartete, welche Vorkehrungen Breeden womöglich getroffen hatte, um sich vor Eindringlingen zu schützen. Daher hielt sie sich zurück. Sie wollte Breeden schließlich nicht unnötig warnen.
Noch mehr Zeit verging, nass und still, jene gefährliche Stille, in der ihr Gedanken und Erinnerungen durch den Kopf gingen und die Stimmen sich unterhielten, die Stimmen, die nach dem Tod des Puppenmachers immer noch nicht verstummt waren. Die ihr noch keine Rückkehr in jenen friedlichen Zustand aus der Zeit vor dem Wahnsinn gönnten.
Es war verrückt zu glauben, dass sie wieder Frieden finden würde, wenn sie heute Nacht zu Ende brachte, was schon vor so vielen Nächten hätte zu Ende gebracht werden müssen. Trotzdem, der Gedanke war da und mündete in andere, sehr viel düsterer, sehr viel quälender. Doch auch diese Gedanken wandelten sich wieder, wurden ersetzt durch Bilder von einem Kellerverlies und Kindern, von Logan und Neeva, von Jack und Sam, von Noah, und dann waren da die Worte, die sie zu Neeva gesagt hatte: Rache sollte man lieber der Fantasie überlassen .
Alles hatte seinen Preis.
Wieder kam ein Scheinwerferpaar die Straße entlanggeglitten, aber dieses Mal blieb es auf dem Parkplatz stehen, der für Breedens Wohnung reserviert war. Munroe rechnete fast mit einem Lockvogel, doch dann erkannte sie die hagere Gestalt, die mit schnellen Schritten genau in ihre Richtung ging. Sogar in der Dunkelheit war eindeutig zu erkennen, dass Breeden seit ihrer letzten Begegnung drastisch gealtert war. Die selbstsichere Haltung, die Champagnerbläschen und über zehn Kilo des genießerischen Lebens waren verschwunden, ersetzt durch verhärmte Strenge.
Mit Geduld und dem Instinkt einer Raubkatze wartete Munroe, bis Breeden an ihr vorbeigegangen war, bis sie die Schlüssel aus ihrer Handtasche gefischt hatte und mit dem Finger den Querbalken über ihrer Tür entlanggestrichen war. Wozu, das konnte Munroe nur vermuten – wahrscheinlich hatte es etwas mit einem Draht zu tun.
Munroe stand auf.
Der Tod und die Verluste der letzten Wochen schrien nach einem Abschluss.
Der Gerechte wird sich freuen, wenn er solche Vergeltung sieht.
Die Kriegstrommel in ihrer Brust fing an zu schlagen.
Er wird seine Füße baden in des Gottlosen Blut.
Sie setzte sich in Bewegung, schwarze Gestalt in schwarzer Nacht, ein Schatten im Treppenhaus, voll und ganz auf Breedens Haltung, Breedens Atem, Breedens Rückgrat konzentriert. Und dann, als sie fast schon an ihrer Seite war, setzte sie ihr die Mündung ihrer Pistole an den Kopf und sagte: »So sieht man sich wieder, Kate.«
Kapitel 45
Dallas, Texas
Fünf Monate später
Vierhundert Meter Schotter lagen zwischen dem schwarzen Asphalt der Landstraße und Bradfords Haustür, vierhundert Meter vom Hausflur
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