Mission Munroe 03 - Die Geisel
dazu. Ich lasse sie alle frei.«
»Dann los, lass sie frei, sofort«, sagte sie. »Dann ergebe ich mich.«
Neeva brüllte »Nein!«, und der Puppenmacher schlug sie erneut.
»Ich bin doch kein Narr«, sagte er. »Du zuerst, dann die Mädchen.«
»Dann lass zumindest die gehen, die leicht zu ersetzen sind.«
Der Puppenmacher grinste höhnisch. »Wo sollen sie denn hingehen? Wenn ich sie hier auf die Straße setze, werden sie gefunden, und dann steht irgendwann die Polizei bei mir vor der Tür. Nein. Wenn ich sie gehen lasse, dann dort, wo sie mir keine Schwierigkeiten bereiten können.«
»Dann kommen wir nicht weiter.«
Der Puppenmacher bellte einen Befehl. Der Gorilla, dem er die Waffe weggenommen hatte, zog eine zweite unter seinem Hemd hervor. Doch noch bevor der den Lauf auf das flach am Boden liegende Mädchen gerichtet hatte, schrie Munroe: »Nein!«, und der Puppenmacher hielt den Killer auf. »Es ist deine Entscheidung«, sagte er.
Munroe blieb stumm, dachte nach, suchte einen Ausweg aus einer Situation, die so ausweglos war, dass sogar ihr eigener Tod nur das Böse stärken würde.
»Ich warte nicht mehr lange«, sagte der Puppenmacher.
Wenn sie sich ergab, konnte sie auch nicht mehr sicherstellen, dass er sich an die Abmachung hielt, doch wenn sie sich nicht ergab, stand eine Hinrichtung unmittelbar bevor.
Als hätte er ihre Gedanken gelesen sagte er: »Noch zehn Sekunden, dann ist das Mädchen tot.«
Neeva kreischte: »Schieß doch!«, und wieder schlug sie der Puppenmacher, dieses Mal so fest, dass das Klatschen laut und deutlich zu hören war. Selbst aus der Entfernung konnte Munroe ihre Tränen sehen.
Der Puppenmacher zählte und sprang direkt von zwei zu sieben. Bei acht senkte Munroe ihre Waffe. Neeva schrie erneut, und wieder verging die Zeit mit einem Mal langsamer, wurde jede Bewegung und jedes Ereignis in kleine Abschnitte unterteilt, ruckte das Leben stroboskopartig vorwärts.
Der Mann neben der Stahltür, der die Pistole an den Kopf des Teenagermädchens hielt. Sie an den Haaren riss, ihr tränenüberströmtes Gesicht emporzerrte, ihr ins Ohr lachte. Das Mädchen auf dem Fußboden, eng zusammengekauert. Der Widerling neben ihr, der mit der Pistole auf sie zielte, mit dem Zeigefinger die Außenseite des Abzugsbügels streichelte, den Blick in froher Erwartung des Schießbefehls auf den Puppenmacher gerichtet. Der Puppenmacher, der Neeva noch dichter an sich zog. Lächelte. Höhnisch grinste. Ihr die Mündung ins Ohr rammte. Die Andeutung einer Bewegung am hinteren Ende des Saals, die genauso gut ein Luftzug wie ein Schatten gewesen sein konnte, eine halbe Sekunde Ablenkung. In dieser Zeit erreichte die Stimme des Puppenmachers, gedehnt und verzerrt, die Nummer Neun.
Munroe setzte ein Knie auf den Boden.
Neeva kreischte: »Nein!« Sie stellte sich auf Zehenspitzen, sodass ihre Wange auf der gleichen Höhe wie die des Puppenmachers war, drückte sich an ihn, spannte die Muskeln und drehte sich zur Seite. Packte mit der rechten Hand seine Hand mit der Pistole, griff mit der linken nach seinem Kopf. Nicht etwa in panischer Verzweiflung. Absichtsvoll … konzentriert … zielgerichtet, zum Äußersten entschlossen und mit starrem Blick.
Sein Lächeln erstarb.
Ihr Finger legte sich auf den Abzug.
Dann folgte eine Explosion aus Blut und Knochen, die zwei Leben gleichzeitig beendete.
Neeva und der Puppenmacher fielen gemeinsam, schlugen gegen den Tisch und den Stuhl, wie Flipperkugeln oder Stoffpuppen, sackten schließlich zu Boden, schief und krumm, mit ineinander verschlungenen Armen und Beinen.
Während der Zeit, die Munroe brauchte, um zu blinzeln, das Gesehene wahrzunehmen und zu begreifen, ließ sie die Jericho fallen. Packte die Fünfundvierziger mit beiden Händen und schoss, immer noch auf Knien, auf den Mann, der am dichtesten bei ihr stand, das nächstgelegene Zahnrad in der Maschinerie des Puppenmachers. Leerte das Magazin in rasantem Tempo, sah ihren Gegner zucken und fallen, bis er leblos auf dem am Boden liegenden Teenagermädchen landete. Wandte sich dann seinem Partner zu. Die Zeit stand immer noch still, gefangen im Bruchteil eines Atemzugs, erfüllt von Schreien und Gewalt, während der erste Mann fiel und der zweite den Kopf hob, unsicher, zögerlich, weil er nicht wusste, ob er seine Geisel, sein menschliches Schutzschild, erschießen oder besser das Feuer erwidern sollte.
Dann richtete er den Lauf seiner Waffe auf Munroe.
Sie ließ die Fünfundvierziger
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