Mission Munroe. Die Sekte
sich katzengleich
durch die Menge schlängelte und ihn aus ihren grauen Augen ununterbrochen ansah, bis sie auf Armeslänge vor ihm stand.
Und dann zerzauste sie ihm mit der Hand die blonden Haare – etwas, was er keinem anderen Menschen je gestatten würde – und lachte dieses tiefe, sorglose Lachen, das besagte, dass sie einfach nur froh und glücklich war, ihn zu sehen.
Die inneren Kämpfe und die enorme Anspannung der vergangenen Tage wurden von einem vagen Gefühl der Hoffnung abgelöst. Logan zog sie an sich und schloss sie fest in die Arme. Sie unternahm einen halbherzigen Versuch, sich zu entziehen, aber er wirbelte sie herum, drehte sich mit ihr einmal um die eigene Achse. Als er sie schließlich losließ, entstand eine winzige, peinliche Stille, und sie wuschelte ihm erneut über den Kopf.
»Mein Gott, Logan«, sagte sie. »Du machst ein Gesicht, als wolltest du mir einen Heiratsantrag machen.«
Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare, um den angerichteten Schaden wenigstens notdürftig zu beheben, und sagte dann, ohne sein breites Grinsen länger im Zaum halten zu können: »Irgendwann mache ich das vielleicht sogar.«
»Na, wenn du dich da mal nicht übernimmst«, erwiderte sie trocken und versetzte ihm einen Klaps an die Schulter, über der seine Tasche hing. »Mehr hast du nicht dabei?«
Er schüttelte den Kopf. Das dämliche Grinsen klebte ihm unverändert im Gesicht.
Lächelnd hängte sie sich bei ihm ein. Sie waren praktisch gleich groß, und so schob sie ihn Schulter an Schulter weg von der Menge. »Es ist wirklich schön, dich wiederzusehen.«
Ihr beschwingter Tonfall, die untypische, überschwängliche Begrüßung wunderten ihn. Sie gingen weiter, und er blickte ihr in die Augen. Sie grinste ihn an, drückte schelmisch seinen Bizeps und legte den Kopf an seine Schulter.
»Hast du Hunger?«, fragte sie. »Wir haben einen langen Weg vor uns.«
»Ich hab im Flugzeug gegessen«, erwiderte er und fragte nach kurzem Zögern leicht verunsichert: »Wie lange dauert denn die Fahrt in die Stadt?«
»Wir fahren nicht nach Casablanca«, sagte sie. »Wir fahren nach Tanger.«
Er erinnerte sich, dass Tanger ziemlich genau dreihundert Kilometer Luftlinie von Casablanca entfernt lag, und fragte sich, was das wohl zu bedeuten hatte. »Habt ihr euch getrennt, du und Noah?«, sagte er.
Munroe zuckte mit den Schultern und drehte sich um, sodass sie rückwärtsgehen musste, um ihn anzusehen. Sie lächelte erneut, und in diesem Lächeln entdeckte Logan eine Andeutung jener eigenartigen, verräterischen Benommenheit, die er seit über einem halben Jahrzehnt bei ihr nicht mehr wahrgenommen hatte.
»Etwas, das ohnehin kein Ganzes ist, kann man schlecht trennen«, sagte sie. »Aber, nein, es hat sich nichts verändert. Wir sind immer noch zusammen.«
Sie lächelte noch einmal und kam wieder an seine Seite. Mit einem Mal war die Last, die Logan mit ihr teilen wollte, unendlich viel schwerer geworden.
Dieser letzte Blick hatte ihm alles verraten, was sie mit Worten nicht gesagt hatte, und er musste all seine Selbstbeherrschung aufbieten, um sich den Schock der Erkenntnis nicht anmerken zu lassen. Er ging im Gleichschritt neben ihr her, während sie über polierte Fußböden die
untere Ebene ansteuerten, wo die Züge in die Stadt abfuhren.
Logan sagte: »Warum seid ihr nach Tanger umgezogen?«
»Weil es mir dort gefällt«, lautete ihre Antwort.
Ihre Worte klangen kalt und abweisend. Humorlos, unaufrichtig. So gab sie ihm auf ungewöhnlich indirekte Art und Weise zu verstehen: Das geht dich nichts an . Er ließ es vorerst auf sich beruhen. Er würde einen anderen Weg suchen, um das Ausmaß des Schadens hinter dem Lächeln zu ergründen, einen anderen Ansatzpunkt, aber als Freund und als Bittsteller musste er wissen, wie viel Druck sie aushalten konnte, wie stabil die Karosserie war und wie groß das Ausmaß der Zerstörung.
Sie kamen zur Casa Voyageurs, dem Regionalbahnhof von Casablanca. Munroe ging voraus, durchquerte das kühle Bahnhofsgebäude mit der hohen, gewölbten Decke und gelangte zum Fahrkartenschalter, wo sie einen Wortwechsel auf Arabisch begann.
Logan reichte ihr sein Portemonnaie, aber sie schob es beiseite. »Lass gut sein«, sagte sie. »Dafür reicht es gerade noch.«
Sie nahm die Fahrkarten in die eine Hand und zog ihn mit der anderen hinter sich her durch die blitzblanke Bahnhofshalle nach draußen bis zu dem Zug, der sie nach Norden bringen sollte. Sie waren noch im Gang,
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