Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mission Walhalla

Mission Walhalla

Titel: Mission Walhalla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
Vom Netzwerk:
aus einem rosa Pass, einer Lebensmittelkarte, einer Reisegenehmigung und einem deutschen Personalausweis – alles, was ich brauchen würde, falls man mich auf dem Weg nach Nürnberg in der amerikanischen Zone anhielt. Ein kleiner Schlüssel war für die Handschellen. Und auch die Pistole war da; sie war geladen und fast so klein wie der Schlüssel: ein Colt .25 mit sechs Schuss und fünf Zentimeter langem Lauf. Keine berauschende Waffe, aber sie würde ausreichen, um damit jemanden zur Räson zu bringen. Mehr aber auch nicht. Es war die Pistole eines Freudenmädchens, ohne Hahn, damit sie keine Laufmaschen riss.
    Ich schob Papiere und Geld in die Stiefel, die Pistole in den Hosenbund und ging zum Tor, wo wie prophezeit Leutnant Rascher und einer von den Blauen, ein Unteroffizier, auf mich warteten. Leider Gottes wartete auch Major Weltz auf mich. Zwei Leute zu töten, war schon schwierig genug. Drei könnte ein bisschen viel werden. Aber es gab jetzt kein Zurück mehr. Sie standen neben einer schwarzen Zim-Limousine, die eher amerikanisch als russisch aussah. Ich war fast da, als ich jemanden meinen Namen rufen hörte. Ich blickte mich um und sah, wie Bingel mir zunickte.
    «Hast den Blutpakt unterschrieben, was, Gunther?», fragte er. «Deine Seele. Ich hoffe, du kriegst einen guten Preis dafür, du Schwein. Wenn ich lange genug lebe, wird es mir ein Vergnügen sein, dich persönlich in die Hölle zu befördern.»
    Ich fühlte mich prompt ziemlich mies. Ich ging zu dem Wagen und hielt die Hände für die Handschellen hin. Dann stiegen wir ein, der Blaue setzte sich ans Steuer, und wir fuhren los.
    «Was hat der Mann vorhin gesagt?», fragte Rascher.
    «Er hat mir alles Gute gewünscht.»
    «Wirklich?»
    «Nein, aber ich schätze, ich kann damit leben.»
    In dem kleinen Bahnhof von Johanngeorgenstadt wartete bereits ein Zug. Die Dampflok war schwarz mit einem roten Stern vorne drauf, was mir ganz gut zur Höllenthematik zu passen schien. Obwohl ich vorhatte zu fliehen, hatte ich das Gefühl, etwas zutiefst Beschämendes zu tun. Ich hätte mich kaum elender fühlen können, wenn ich wirklich die Absicht gehabt hätte, zum Fünften Kommissariat zu gehen.
    Wir vier stiegen in einen Waggon, auf dessen Seite in Kreide die kyrillischen Buchstaben für Berlin standen. Wir hatten ihn ganz für uns allein. Der Zug hatte keinen Hauptgang. Alle Waggons waren getrennt. So viel zu dem Plan, mit gezückter Pistole aus der Toilette gestürmt zu kommen. Die übrigen Waggons waren voll mit Rotarmisten, die nach Dresden wollten, was die Sache auch nicht unbedingt einfacher machte.
    Der russische Unteroffizier in unserer Runde schwitzte und wirkte nervös, und ich sah, dass er sich bekreuzigte, bevor er hinter mir in den Zug stieg. Was ein wenig seltsam war, zumal Zugreisen selbst in der sowjetischen Zone eigentlich kein Risiko darstellten. Im Gegensatz dazu wirkten die beiden deutschen NKWD -Offiziere ruhig und entspannt. Als wir Platz genommen hatten und auf die Abfahrt des Zuges warteten, fragte ich den
starschina
, ob er Deutsch könne. Er schüttelte den Kopf.
    «Der Bursche ist Ukrainer, glaube ich», sagte Major Weltz. «Spricht kein Wort Deutsch.»
    Der Iwan zündete sich eine Zigarette an und blickte zum Fenster hinaus, mied den Blickkontakt mit mir.
    «Er ist ein hässlicher Hund, was?», sagte ich. «Seine Mutter war bestimmt eine Hure. Wie alle ukrainischen Frauen.»
    Der Iwan zuckte nicht mit der Wimper.
    «Nun denn», sagte ich. «Ich glaube wirklich, er spricht kein Deutsch. Also. Ich denke, wir können uns gefahrlos unterhalten.»
    Weltz stutzte. «Was zum Teufel wollen Sie damit sagen?»
    «Hören Sie. Unser aller Leben könnte davon abhängen, dass wir einander vertrauen. Wir drei Deutsche. Schauen Sie ihn nicht an. Aber was wissen Sie überhaupt über unseren übelriechenden Freund hier?»
    Der Major warf dem Leutnant einen Blick zu, und der schüttelte den Kopf. «Gar nichts», sagte er. «Warum?»
    «Nichts?»
    «Er wurde erst vor ein paar Tagen ins Lager Johanngeorgenstadt versetzt», sagte Rascher. «Aus Berlin. Mehr weiß ich wirklich nicht über ihn.»
    «Und jetzt fährt er schon wieder zurück?»
    «Worauf wollen Sie hinaus, Gunther?», fragte Weltz.
    «Irgendwas stimmt nicht mit dem», sagte ich. «Nein. Schauen Sie ihn nicht an. Er ist nervös, obwohl er keinen Grund dazu hat. Und vorhin hab ich gesehen, wie er sich bekreuzigt hat.»
    «Ich weiß zwar nicht, was Sie da abziehen, Gunther,

Weitere Kostenlose Bücher