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Mission Walhalla

Mission Walhalla

Titel: Mission Walhalla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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über Berlin zu einer Antifa-Schule geschickt werden, in der Nähe von Moskau. Alles arrangiert von unserem gemeinsamen Freund. Aber ich schätze, dann hat er sich gedacht, dass ich zu viel über seine Vergangenheit weiß, und es für sicherer gehalten, mich eliminieren zu lassen. Also, hier bin ich. Ich dachte, die Frau, deren Name auf dem Umschlag steht, verzeiht mir vielleicht, dass ich sie für eine andere verlassen habe, und bietet mir für ein paar Tage Unterschlupf. Erst recht, wenn sie den Haufen Dollars sieht.»
    Sie nickte nachdenklich. «Wie geht es Kirsten?»
    «Keine Ahnung. Seit Weihnachten 1944 habe ich nichts mehr von Frau Gunther gesehen oder gehört. Auf dem Weg hierher bin ich durch meine alte Straße gekommen und musste feststellen, dass nicht mehr viel von ihr übrig ist.»
    «Ansonsten wärst du vermutlich nicht hier, und ich hätte das Geld nicht bekommen.»
    «Durchaus möglich.»
    «Na, wenigstens bist du ehrlich.» Sie dachte einen Moment nach. «Wer ausgebombt wurde, hinterlässt normalerweise ein rotes Kärtchen mit irgendeiner Adresse an der Ruine, für den Fall, dass ein Angehöriger nach ihnen sucht.»
    «Tja, vielleicht ist das ja das Problem. Ich glaube, so richtig nah waren Kirsten und ich uns nie. Sie war immer nur sich selbst die Nächste.» Ich schüttelte den Kopf. «Da war kein rotes Kärtchen. Ich hab nachgesehen.»
    «Es gibt noch andere Möglichkeiten, sie wiederzufinden», sagte Elisabeth.
    «Nicht in meiner derzeitigen Garderobe. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis ich aufgegriffen werde. Und erschossen. Oder zurück ins Lager geschickt werde, was noch schlimmer wäre.»
    «Stimmt. Vielleicht liegt’s an der Uniform, aber du siehst nicht besonders gut aus. Ich hab schon Skelette gesehen, die einen gesünderen Eindruck gemacht haben.» Sie schüttelte den Kopf und sah mir in die Augen. «Also gut. Du kannst hierbleiben. Aber wenn du mir komisch kommst, setz ich dich sofort vor die Tür. In der Zwischenzeit versuche ich, irgendwas über Kirsten rauszufinden.»
    «Danke. Hör mal, ich hab selbst auch ein bisschen Geld. Könntest du nicht ein paar Klamotten für mich auftreiben oder kaufen?»
    Sie nickte. «Ich gehe morgen ganz früh zum Reichstag.»
    «Zum Reichstag? Ich hatte ehrlich gesagt an etwas Legeres gedacht.»
    «Da ist der Schwarzmarkt», sagte sie. «Der größte in der Stadt. Glaub mir, da kriegst du alles. Von Nylonstrümpfen bis hin zum gefälschten Persilschein. Vielleicht kann ich dir ja auch gleich so einen kaufen. Dann komm ich allerdings zu spät zur Arbeit.»
    «In die Schneiderei?»
    Sie schüttelte finster den Kopf. «Ich bin Dienstmädchen, Bernie», sagte sie. «Wie praktisch jede Frau, die in Berlin überlebt hat. Ich arbeite bei der Familie eines amerikanischen Diplomaten in Zehlendorf. He, vielleicht kann ich dir ja auch Arbeit besorgen. Die suchen nämlich einen Gärtner. Ich kann morgen nach Feierabend beim Arbeitsamt in der McNair-Kaserne vorbeigehen.»
    «McNair-Kaserne?»
    «Ja. Da findet so gut wie alles statt, was mit der US Army in Berlin zu tun hat.»
    «Danke», sagte ich, «aber wenn es dir nichts ausmacht, würde ich lieber erst mal ein Weilchen nicht arbeiten. Ich hab die letzten achtzehn Monate geschuftet wie ein Tier. Ich hab kein großes Bedürfnis, wieder Spitzhacke oder Schaufel in die Hand zu nehmen.»
    «War bestimmt hart, was?»
    «Nur nach den Maßstäben eines russischen Leibeigenen. Jetzt, wo ich in der Sowjetunion gelebt habe und dort fast gestorben wäre, ist mir klar, wo die ihr Benehmen lernen. Und wo sie ihr sonniges Gemüt herhaben. Ich bin nicht einem einzigen Iwan begegnet, der auch nur entfernt Optimismus ausstrahlte. Dennoch, unser gemeinsamer Freund scheint bei denen einen Stein im Brett zu haben.» Ich deutete mit einem Kopfnicken auf den Umschlag in ihrer Hand. «Erich.»
    «Du kannst dir nicht vorstellen, wie dringend ich das Geld hier brauche.»
    «Aber er konnte es anscheinend. Ich frage mich, warum er es dir nicht selbst gebracht hat.»
    «Er wird seine Gründe haben, schätze ich. Erich vergisst seine Freunde nicht.»
    «Seine Feinde auch nicht.»
    «Wollte er dich wirklich umbringen lassen?»
    «Nur ein bisschen.»
    Sie schüttelte den Kopf. «Er war ein Hitzkopf, als er jünger war, das ja. Aber ich habe ihn nie für einen kaltblütigen Mörder gehalten. Diese beiden Polizisten. Ich glaube bis heute nicht, dass er das war. Und ich kann auch nicht glauben, dass er jemanden beauftragt hat, dich zu

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