Mission Walhalla
vorbereitet. Einen Kuchen gebacken. Und ich hätte dich nicht im Bademantel empfangen. Du hättest mir auch deine Adresse auf Kuba schicken sollen. Dann hätte ich dir schreiben können, um mich zu bedanken.»
«Das wäre schwer möglich gewesen», gestand ich. «Ich hab da unter einem falschen Namen gelebt.»
«Oh», sagte sie, als wäre ihr ein solcher Gedanke nie in den Sinn gekommen. «Du steckst doch nicht in Schwierigkeiten, Bernie?»
«Schwierigkeiten?» Ich lächelte wehmütig. «Das Leben ist eine einzige große Schwierigkeit. Nur sehr naive und sehr junge Menschen bilden sich ein, es wäre anders. An Schwierigkeiten zeigt sich, ob wir es schaffen, am Leben zu bleiben.»
«Wenn du nämlich in Schwierigkeiten steckst …»
«Ich will dich nicht um noch einen Gefallen bitten.»
Sie nahm meine Hand und küsste die Finger, einen nach dem anderen. «Wann kriegst du das endlich in deinen preußischen Dickschädel», sagte sie. «Ich helfe dir, wo ich kann.»
«Also schön.» Ich überlegte einen Moment, nahm dann ihren Bleistift und den Notizblock und fing an zu schreiben. «Wenn du wieder im Klub bist, ruf bitte diese Nummer in München an. Frag nach einem Mr. Kramden. Sollte Mr. Kramden nicht da sein, sag, du rufst zwei Stunden später wieder an. Hinterlasse weder deinen Namen noch deine Nummer, sag einfach, du rufst im Auftrag von Carlos an. Wenn du Kramden schließlich am Apparat hast, sag ihm, ich wohne die nächsten paar Wochen bei meinem Onkel François in Göttingen, in der Pension Esebeck, bis ich Monsieur Voltaire vom Zug aus dem Kirschgarten abgeholt habe. Sag Mr. Kramden, falls er und seine Freunde sich mit mir in Verbindung setzen wollen, dass ich in Göttingen jeden Abend gegen sechs oder sieben Uhr zur Beichte gehe, in die St.-Jacobi-Kirche, und dass sie unter der Bank ganz vorn nach einer Nachricht suchen sollen.»
Sie überflog meine Notizen. «Alles klar.» Sie nickte resolut. «Göttingen ist romantisch. Schön. Wie Deutschland mal war. Ich hab schon öfter gedacht, es wäre schön, da zu wohnen.»
Ich schüttelte den Kopf. «Du und ich, Elisabeth. Wir sind Berliner. Nicht geschaffen für die Provinzidylle.»
«Wahrscheinlich hast du recht. Was machst du danach, nach Göttingen?»
«Ich weiß es nicht.»
«Ich finde», sagte sie, «wenn in Berlin sonst niemand ist, den du kennst oder dem du vertraust, dann könntest du doch genauso gut wieder hier leben, in meiner Nähe. Wie früher. Weißt du noch?»
«Glaubst du etwa, ich hätte dir sonst das Geld aus Kuba geschickt? In letzter Zeit hatte ich so einiges an Erinnerungsarbeit zu leisten. Als ich meine Geschichte erzählt hab – ach, ist ja auch egal. So manches hätte ich lieber verdrängt. Aber das mit uns ist mir nie aus dem Kopf gegangen. Darauf kannst du dich verlassen. Dich habe ich nie vergessen.»
Natürlich hatte ich in Landsberg nicht alles erzählt.
Ein Mann sollte sich gewisse Geheimnisse bewahren, erst recht, wenn er sich mit der CIA unterhält.
Wer weiß, vielleicht hätten die Special Agents Scheuer und Frei eine Akte über Elisabeth Dehler angelegt, wenn ich ihnen haarklein alle Hintergründe meiner Flucht 1946 aus dem Zug vom
pleni
-Lager in Johanngeorgenstadt nach Dresden und dann nach Berlin erzählt hätte.
Ich wollte nicht, dass sie Elisabeth auf die Pelle rückten, daher hatte ich es für mich behalten, dass die Adresse auf dem Umschlag, den Mielke mir gegeben hatte und der mehrere hundert Dollar enthielt, Elisabeths Adresse war.
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Kapitel 29 DEUTSCHLAND 1946
Anstatt das Geld einzustecken, hatte ich beschlossen, es ihr persönlich zu überbringen – wie es der NKWD -Killer getan hätte, wenn ich ihn nicht vorher getötet hätte. Außerdem brauchte ich einen Unterschlupf, und was kam da gelegener als die Wohnung einer früheren Geliebten? Also fuhr ich vom zerstörten Dresden mit dem Zug weiter nach Berlin, wo ich an der nicht weniger deprimierenden Ruine des Anhalter Bahnhofs ausstieg und mit der Straßenbahn zum Kurfürstendamm fuhr.
Von dort ging ich zu Fuß und sah, dass wenigstens eine von Hitlers Prophezeiungen wahr geworden war. Nach seiner Machtübernahme hatte er verkündet, in zehn Jahren würden wir Deutschland nicht wiedererkennen, und das konnte ich jetzt nur bestätigen. Der Ku’damm, einst Berlins Prachtmeile, war zu einer Aneinanderreihung von Ruinen verkommen. Als ehemaliger Polizist kannte ich die Gegend wie meine Westentasche, aber selbst mir fiel die
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