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Mission Walhalla

Mission Walhalla

Titel: Mission Walhalla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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«Nicht gerade
Effi Briest
, was? Ach, ich komme klar, im Klub. Werde gut bezahlt. Die Gäste benehmen sich anständig. Geben gutes Trinkgeld, zumindest die Amis. Die zeigen gern, wenn sie zufrieden sind. Anders als die Briten. Die sitzen auf ihrem Geld. Menschenskind, sogar die Franzosen geben mehr Trinkgeld als die Briten. Kaum zu glauben, dass die den Krieg gewonnen haben, so knauserig, wie sie sind. Es heißt, im britischen Sektor sind sogar die Mausefallen leer. Ich sag dir, diesen Nasser kann ich gut verstehen. Und ich glaube, über den Sieg von Uruguay über England hab ich mich noch mehr gefreut als darüber, dass Westdeutschland Weltmeister geworden ist.»
    «Apropos Westdeutschland, Elisabeth, fährst du öfter mal hin?»
    «Nein. Dann müsste ich ja über die grüne Grenze. Und das mach ich nicht gern. Einmal hab ich’s getan und mich dabei gefühlt wie eine Kriminelle in meinem eigenen Land.»
    «Und Ostberlin? Fährst du schon mal nach drüben?»
    «Manchmal. Aber es lohnt sich kaum noch. Ostberlin hat für uns Westberliner nicht viel zu bieten. Kurz bevor Jimmy – mein amerikanischer Sergeant – zurück nach Amerika gegangen ist, sind wir mal zusammen nach drüben. Er wollte sich einen Fotoapparat kaufen, und in Ostberlin kriegst du so was noch in guter Qualität einigermaßen preiswert. Wir haben auch einen gekauft, aber nicht in einem Laden. Auf dem Schwarzmarkt. Das HO -Kaufhaus, in dem wir waren, hatte kaum was anzubieten. Und als ich die halbleeren Regale sah, da wurde mir schlagartig klar, warum letztes Jahr so viele Ostdeutsche hergekommen sind, um sich ein Essenspaket zu holen. Und warum eine ganze Menge von ihnen nicht mehr zurückgegangen sind.»
    «Aber du würdest nicht sagen, dass es gefährlich ist.»
    «Für jemanden wie mich? Nein. Ab und zu liest man mal, dass die Sowjets Leute verschleppt haben. Ihnen irgendwas gespritzt und sie dann in ein Auto verfrachtet haben. Tja, ich schätze, da muss man schon jemand Wichtiges sein, wenn einem so was passiert. Aber so jemand würde doch wohl erst gar nicht nach drüben gehen, oder? Außerdem, ich hätte nicht gedacht, dass du in den russischen Sektor willst. Wo du doch aus einem Kriegsgefangenenlager geflohen bist und so.»
    «Hör mal, Elisabeth, außer dir gibt es in Berlin niemanden mehr, dem ich wirklich vertrauen kann. Oder den ich überhaupt kenne. Und ich muss dich um einen Gefallen bitten. Wenn ich jemand anderen bitten könnte, würde ich das tun.»
    «Sag schon, worum es geht.»
    Ich gab ihr einen Umschlag. «Ich möchte dich bitten, den hier jemandem zu überbringen. Ich kenne leider die genaue Adresse nicht, und ich dachte – na ja, du könntest vielleicht behilflich sein. Um der alten Zeiten willen.»
    Sie las den Namen auf dem Umschlag und schwieg einen Moment.
    «Du musst es nicht machen», sagte ich. «Aber du würdest mir sehr helfen.»
    «Natürlich mach ich es. Ohne dich, ohne das Geld, das du mir geschickt hast, hätte ich diese Wohnung niemals behalten können.»
    Ich trank meinen Kaffee aus und rauchte meine Zigarette zu Ende. Anscheinend hatte ich den Eindruck erweckt, dass ich gehen wollte, denn sie sagte: «Sehe ich dich wieder?»
    «Ja. Ich weiß nur nicht, wann. Ich kann nicht in Berlin bleiben. Ich muss zurück nach Göttingen.» Sie blickte verdutzt, als sie das hörte. Also sagte ich zur Erklärung: «Wegen des VdH. Göttingen ist nicht weit vom Grenzdurchgangslager Friedland. Die Russlandheimkehrer, die dort aufgenommen werden, bleiben nur ein paar Tage. Sie bekommen Essen und Kleidung und werden medizinisch versorgt. Außerdem bekommen sie einen Armeeentlassungsschein, den sie brauchen, um eine Aufenthaltserlaubnis zu erhalten, eine Lebensmittelkarte und eine Reisegenehmigung, um nach Hause zu kommen.»
    «Die armen Teufel», sagte sie. «Wie schlimm war es wirklich?»
    «Ich werde nicht hier sitzen und einer Berliner Frau was vom Leid vorjammern», sagte ich. «Aber vielleicht verbindet es uns ja. Bleiben wir in Verbindung?»
    «Sehr gern.»
    «Hast du ein Telefon?»
    «Nein. Aber im Klub ist eins. Falls nötig, kannst du mich dort erreichen. Sollte ich nicht da sein, kannst du eine Nachricht hinterlassen.» Sie holte einen Bleistift und einen Notizblock, schrieb die Nummer auf – «24 38 93» – und riss das Blatt ab.
    Ich steckte das Stück Papier in meine leere Brieftasche.
    «Du kannst mir natürlich auch hierher schreiben. Wenn du mir geschrieben hättest, dass du kommst, hätte ich irgendwas

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