Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mission Walhalla

Mission Walhalla

Titel: Mission Walhalla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
Vom Netzwerk:
Elfenhand.
    Zunächst nahm ich an, dass sie herausfinden wollten, was ich über die Abläufe im RSHA wusste und über das Amt VI , das für Auslandsspionage zuständig war. Aber mir wurde schnell klar, dass sie ebenso gut informiert waren wie ich. Und dann schwante mir, dass ich nicht wegen ein paar einfacher Morde inhaftiert war, sondern dass sie mich eines sehr viel schwerwiegenderen Verbrechens verdächtigten.
    «Wissen Sie», erklärte Silverman, «es gibt da ein paar Elemente in Ihrer Geschichte, auf die wir uns einfach keinen Reim machen können.»
    «Das hör ich öfter», sagte ich.
    «Sie sagen, Sie waren Kriminalkommissar bis –»
    «Bis die Kripo im September 1939 dem RSHA eingegliedert wurde.»
    «Aber Sie behaupten, nie Parteimitglied gewesen zu sein.»
    Ich nickte.
    «War das nicht ungewöhnlich?»
    «Ganz und gar nicht. Ernst Gennat war bis zum August 1939 ständiger Vertreter des Leiters der Berliner Kripo, und ich weiß mit Sicherheit, dass er nie Mitglied der NSDAP war.»
    «Was ist aus ihm geworden?»
    «Er ist gestorben. Eines natürlichen Todes. Es gab auch noch andere. Heinrich Müller, der Gestapochef. Er hat Karriere gemacht, ohne sich für die Partei zu interessieren.»
    «Vielleicht brauchte er das auch gar nicht», sagte Silverman. «Er war schließlich Chef der Gestapo.»
    «Ich könnte noch mehr aufzählen, aber Sie müssen bedenken, dass die Nazis ein Haufen Heuchler waren. Manchmal kamen ihnen Leute, die nicht im Parteisystem steckten, ganz gelegen. Die ließen sich gut benutzen.»
    «Sie geben also zu, dass Sie sich haben benutzen lassen», stellte Earp fest.
    «Ich lebe noch, oder?» Ich zuckte die Achseln. «Das spricht wohl für sich.»
    «Die Frage ist, wie sehr Sie sich haben benutzen lassen», sagte Silverman.
    Er war zwar intelligent, aber als Pokerspieler wäre er eine absolute Null gewesen. In seinem Gesicht konnte man lesen wie in einem Buch. Wenn er glaubte, dass ich nicht die Wahrheit sagte, öffnete er leicht den Mund und bewegte den Unterkiefer hin und her wie eine grasende Kuh; und wenn er mit einer Antwort zufrieden war, schaute er zur Seite oder schnalzte traurig mit der Zunge, als wäre er tief enttäuscht.
    «Vielleicht möchten Sie Ihr Gewissen erleichtern», sagte Earp.
    «Ernsthaft», sagte ich. «Bei mir sind Sie an der falschen Adresse.»
    «Das lassen Sie mal unsere Sorge sein, Herr Gunther.»
    «Prügeln Sie es doch aus mir raus, wie Ihre Freunde bei der Navy und dem FBI .»
    «Ich würde mich an Ihrer Stelle mal fragen, wieso alle das Bedürfnis haben, Sie zu schlagen», sagte Earp.
    «Ich warte schon darauf, dass sich dieses Bedürfnis bei Ihnen regt.»
    «Wir vom Chief Counsel sind anders.» In Silvermans Stimme lag so viel Überzeugung, dass ich ihm fast geglaubt hätte.
    «Tja, warum haben Sie das nicht schon früher gesagt? Da geht’s mir doch gleich viel besser.»
    «Die meisten Leute hier drin haben mit uns geredet, weil sie reden wollten», sagte Earp.
    «Und der Rest?»
    «Manchmal ist es schwierig, den Mund zu halten, wenn deine Freunde dich verpfiffen haben», sagte Silverman.
    «Da mach ich mir keine Sorgen. Ich hab nämlich keine Freunde. Und hier schon gar nicht. Sie können also davon ausgehen, dass jeder, der mich verpfeift, selbst erheblich mehr auf dem Kerbholz hat als ich.»
    Silverman erhob sich und zog seine Jacke aus. «Stört es Sie, wenn ich das Fenster aufmache?», fragte er.
    Die Höflichkeit war reine Formsache, denn er öffnete das Fenster, ohne meine Antwort abzuwarten. Das Fenster war ebenso vergittert wie das in meiner Zelle. Silverman stand da und blickte nach draußen, die Arme nachdenklich vor der Brust verschränkt, und für einen Moment musste ich an ein Foto von Hitler in ähnlicher Pose denken, das aufgenommen worden war, als er Landsberg einen Besuch abstattete. Da war er schon Reichskanzler. Nach einer kurzen Weile sagte Silverman:
    «Sind Sie je einem Mann namens Otto Ohlendorf begegnet? Er war SS -Gruppenführer und Generalleutnant im Reichssicherheitshauptamt.» Silverman kehrte an den Tisch zurück und setzte sich.
    «Ja. Ich bin ihm ein paarmal begegnet. Er war Leiter vom Amt III , glaube ich. Deutsche Lebensgebiete, SD -Inland.»
    «Und was für einen Eindruck hatten Sie von ihm?»
    «Fanatisch. Überzeugter Nazi.»
    «Er war außerdem Leiter einer SS -Einsatzgruppe, die in der Südukraine und auf der Krim operierte», sagte Silverman. «Mit dieser Einsatzgruppe hat Ohlendorf neunzigtausend Menschen ermordet,

Weitere Kostenlose Bücher