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Mission Walhalla

Mission Walhalla

Titel: Mission Walhalla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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kam, waren mir erste Berichte über lokale Pogrome gegen Juden zu Ohren gekommen, weil die Juden im NKWD dabei waren, alle ihre Gefangenen zu ermorden, anstatt sie freizulassen. Es war alles ziemlich verwirrend. Sie haben keine Ahnung, wie verwirrend. Ehrlich gesagt, anfangs hab ich diese Geschichten nicht geglaubt. Während des Ersten Weltkriegs kursierten auch jede Menge solcher Geschichten, und die meisten erwiesen sich als falsch.» Ich schüttelte den Kopf. «In diesem speziellen Fall jedoch waren selbst die haarsträubendsten Geschichten wahr.»
    «Wie genau lauteten Ihre Befehle?»
    «Für Sicherheit zu sorgen. Die Ordnung in den Reihen unserer vorrückenden Armee aufrechtzuerhalten.»
    «Und wie haben Sie das angestellt?», fragte Silverman. «Indem Sie fleißig Menschen ermordeten?»
    «Wissen Sie was? Als Kommissar in einem Polizeibataillon hatte ich Gelegenheit, mir meine sogenannten Kameraden genau anzuschauen. Ob Sie’s glauben oder nicht: Ein Großteil dieser mordlüsternen Schweinehunde in den Einsatzgruppen waren Anwälte, genau wie Sie. Blume, Sandberger, Ohlendorf, Schulz. Es gab noch andere, aber deren Namen hab ich vergessen. Ich hab mich oft gefragt, warum so viele Anwälte an diesen Massenmorden beteiligt waren. Was meinen Sie?»
    «Wir stellen hier die Fragen, Gunther.»
    «Da spricht der Anwalt aus Ihnen, Mister Earp. Apropos, wieso hab ich eigentlich keinen? Bei allem Respekt, Gentlemen, aber dieses Verhör entspricht wohl kaum den Bestimmungen der deutschen Justiz. Und auch nicht denen der amerikanischen. Hat nicht jeder Amerikaner das Recht, die Aussage zu verweigern?»
    «Dieses Verhör ist notwendig, um zu klären, ob Sie angeklagt oder auf freien Fuß gesetzt werden», entgegnete Silverman.
    «Das hier ist Eskimo-Angeln, so haben wir deutschen Bullen das früher genannt», sagte ich. «Man hängt einfach eine Angelschnur durch ein Loch im Eis und hofft, dass irgendwann irgendwas anbeißt.»
    «Wenn keine eindeutigen Beweise vorliegen und keine Unterlagen zur Verfügung stehen», erklärte Silverman, «besteht die einzige Möglichkeit, mehr über ein Verbrechen zu erfahren, darin, einen Verdächtigen, wie Sie es sind, zu vernehmen. Zumindest haben wir bei Kriegsverbrechen häufig diese Erfahrung gemacht.»
    «Blödsinn. Sie wissen doch so gut wie ich, dass Sie auf einer Tonne von Unterlagen hocken. Was ist denn mit all den Akten, die ihr aus dem Gestapo-Hauptquartier geholt habt und die sich jetzt im Berlin Document Center stapeln?»
    «Eher zwei Tonnen Unterlagen», sagte Silverman. «Zwischen acht und neun Millionen Dokumente, um genau zu sein. Und der Mitarbeiterstab beim OCC besteht gerade mal aus acht oder neun Leuten. Bei dem Einsatzgruppen-Prozess hatten wir Glück, weil uns die Originalberichte vorlagen, die von den Einsatzgruppenführern geschrieben wurden. Zwölf Ordner, die reinste Goldmine an Informationen. So brauchten wir nicht mal einen Zeugen der Anklage. Trotzdem hat uns die Vorbereitung vier Monate gekostet. Vier Monate. Bei Ihnen könnte es noch länger dauern. Wollen Sie wirklich vier weitere Monate in Ihrer Zelle sitzen, bis wir ausklamüsert haben, ob Sie vor Gericht gestellt werden?»
    «Dann lesen Sie doch die Berichte der Einsatzgruppenleiter», sagte ich. «Die entlasten mich mit Sicherheit. Weil ich nämlich nicht dabei war, das hab ich Ihnen doch gesagt. Dank Arthur Nebe hab ich einen Fahrschein zurück nach Hause bekommen. Raus aus dem Gebiet der Einsatzgruppen. Das muss er in seinem Bericht erwähnt haben.»
    «Tja, da genau liegt Ihr Problem, Gunther», erklärte Silverman. «Ihr alter Freund Nebe. Die Berichte für die Einsatzgruppen A, C und D waren sehr detailliert.»
    «Otto Ohlendorfs Sorgfalt war vorbildlich», sagte Earp. «In dieser Hinsicht war er tatsächlich ein typischer Anwalt.»
    Silverman schüttelte den Kopf. «Aber es existieren keine Originalberichte von Arthur Nebe für die Einsatzgruppe B. Es gibt überhaupt keine Berichte, bis im November 1941 ein neuer Kommandeur ernannt wird. Wir glauben, dass Nebe genau deshalb von Walter Blume abgelöst wurde. Weil Nebe versagt hat. Er hat nicht annähernd so viele Juden aus dem Weg geräumt wie die anderen drei Gruppen, aus welchen Gründen auch immer. Wissen Sie es?»
    Arthur Nebe. Es war eine Weile her, dass ich an den Mann gedacht hatte, der mein Leben und vielleicht auch mein Seelenheil gerettet hatte und dem ich das so schlecht gedankt hatte. Entgegen der landläufigen Meinung hatte nämlich

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