Mission Walhalla
anders?› Nimm Vernunft an, Bernie.»
«Vernunft?»
«Diese Männer – Himmler, Heydrich, Müller –, das sind Fanatiker. Mit Fanatikern kann man nicht reden wie mit normalen Menschen.» Er schüttelte den Kopf. «Nach dem Elser-Anschlag steh ich sowieso schon unter Verdacht.»
«Wenn du nichts unternimmst, bist du nicht besser als die.»
«Ich muss vorsichtig sein, Bernie. Ich bin nur so lange sicher, wie ich exakt das mache, was mir gesagt wird. Und ich brauche diese Sicherheit, damit ich bereit bin, falls sich irgendwann nochmal die Gelegenheit bietet, uns von Hitler zu befreien.» Er goss sich seinen dritten Schnaps innerhalb weniger Minuten ein. «Wenn das einer versteht, dann doch wohl du.»
«Ich weiß nur, dass du in dieser Stadt einen Massenmord planst.»
«Dann verhafte mich doch, Herr Kommissar. Gott, ich wünschte sogar, du würdest es tun. Im Augenblick wäre mir eine Zelle am Alex tausendmal lieber als der grässliche Anblick dieser Frontstadt.» Er stellte sein Glas hin und streckte mir beide Handgelenke entgegen. «Hier. Leg mir Handschellen an. Und schaff mich hier raus, wenn du kannst. Nein? Dachte ich mir. Du bist genauso ohnmächtig wie ich.» Er nahm sein Glas wieder zur Hand, trank einen Schluck und zündete sich eine Zigarette an. «Was genau hast du diesen beiden Scheißkerlen eigentlich erzählt? Blume und Mundt?»
«Ich hab gesagt, dass ich nicht nach Russland gekommen bin, um alte Frauen zu töten. Auch nicht, wenn sie Jüdinnen sind.»
«Das war nicht schlau, Bernie. Gar nicht schlau. In Berlin hält man große Stücke auf Mundt. Er ist seit 1926 Parteimitglied, länger als ich. Das zählt bei Hitler. Du solltest so was nicht wieder sagen, nicht zu Leuten wie Mundt. Er könnte dir das Leben ziemlich schwer machen. Du hast ja keine Ahnung, wozu manche von diesen SS -Leuten fähig sind.»
«So allmählich hab ich mehr Ahnung, als mir lieb ist.»
«Weißt du, Bernie, es gibt andere, die genauso denken wie du und ich, hier in Weißrussland und in Deutschland. Die bereit sind, Hitler zu stürzen, wenn die Zeit gekommen ist. Wir werden Männer wie dich brauchen. Aber bis dahin wäre es am besten, wenn du die Klappe hältst.»
«Ich soll die Klappe halten und ein paar Juden erschießen, meinst du?»
«Warum nicht? Glaub mir, die Juden zu erschießen ist noch harmlos. Das ist schließlich kaum eine effiziente Methode, um Tausende von Menschen umzubringen. Du kannst dir nicht vorstellen, wie ich unter Druck gesetzt werde, ein effektiveres Verfahren zu entwickeln, um möglichst viele Juden auf einmal zu töten.»
«Spreng sie doch einfach alle in die Luft», schlug ich vor. «Treib sämtliche Juden aus ganz Weißrussland auf einem Feld zusammen, pack ihnen zweitausend Tonnen TNT unter die Füße und halt ein Streichholz dran. Damit müsste dein Problem doch sauber gelöst sein.»
«Ich bin nicht sicher», sagte Nebe nachdenklich, «ob das funktionieren könnte.»
Ich schüttelte resigniert den Kopf. Das war der richtige Moment, um mir endlich meinen Schnaps vorzuknöpfen.
«Ich muss wissen, ob ich auf dich zählen kann, Bernie. Wir beide haben so viel durchgemacht. In Berlin. In diesem gottverlassenen Land kann ich keinem wirklich vertrauen. Schon gar nicht den anderen Offizieren.»
«Ich bin nicht mal sicher, ob ich mir selbst trauen kann, Arthur. Nicht nach dem, was ich gesehen habe. Nicht, nachdem ich weiß, was ich weiß.»
Nebe füllte unsere Gläser erneut. «Hmm. Das hatte ich befürchtet, du verrückter Hund.» Er verzog den Mund zu einem verbitterten Lächeln. «Es wäre dir durchaus zuzutrauen, dass du ein Riesentamtam wegen der Juden machst, wenn Himmler nach Minsk kommt. Oder was ähnlich Hirnrissiges anstellst. Was soll ich bloß mit dir machen?»
«Du könntest mich erschießen lassen. Wie einen alten Juden.»
«Wenn das so einfach wäre», sagte Nebe, «würde ich das vielleicht sogar veranlassen. Aber du bist immer noch genau so naiv wie früher. Kein deutscher Offizier des RSHA wird erschossen, ohne dass sich die Gestapo einschaltet. Vor allem kein Offizier mit deiner Vorgeschichte. Der engen Kontakt zu Heydrich hatte und zu mir. Aber wenn du weiter hier rumläufst, würden sie dich vielleicht auch vernehmen wollen. Dir Fragen stellen, auf die du nicht mit Ja oder Nein antworten kannst. Und ich kann nicht riskieren, dass du denen was über mich erzählst. Über meine Vergangenheit. Über unsere Vergangenheit.»
Ich schüttelte den Kopf, aber ich wusste,
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