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Mission Walhalla

Mission Walhalla

Titel: Mission Walhalla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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vierzigtausend.»
    «Getrennt?»
    «Jawohl, Gruppenführer.» Blume trat neben Nebe. «Kriegsgefangene auf der einen Seite, Juden auf der anderen.»
    «Und das Ghetto?»
    «Südlich des Lagers Drozdy im Nordwesten der Stadt. Da liegt das alte jüdische Viertel von Minsk.» Er tippte mit dem Zeigefinger auf die Karte. «Hier. Von der Swislatsch nach Westen entlang der Nemiga-Straße, nach Norden am Rand des jüdischen Friedhofs entlang und zurück nach Osten Richtung Swislatsch. Das da ist die Hauptstraße, Republikanskaja, und da, wo sie auf die Nemiga-Straße trifft, wird das Haupttor sein.»
    «Was für Gebäude sind das?», fragte Nebe.
    «Ein- oder zweigeschossige Holzhäuser hinter maroden Holzzäunen. Gerade wird das gesamte Ghetto mit Stacheldraht und Wachtürmen gesichert.»
    «Nachts abgesperrt?»
    «Selbstverständlich.»
    «Ich möchte, dass die Anzahl der weißrussischen Juden durch monatliche Sondereinsätze minimiert wird, damit wir die Juden unterbringen können, die sie uns aus Hamburg schicken.»
    «Jawohl, Gruppenführer.»
    «Sie sollten jetzt damit anfangen, die Zahl im Lager Drozdy zu verringern. Lassen Sie die Selektion freiwillig erfolgen. Entziehen Sie allen Nahrung und Wasser, damit sich mehr Freiwillige melden. Fordern Sie alle mit Universitätsabschluss und qualifizierter Berufsausbildung auf, sich zu melden. Diese Juden können Sie vorläufig behalten. Der Rest muss sofort liquidiert werden.»
    «Jawohl, Gruppenführer.»
    «Himmler kommt in zwei Wochen her, und er soll sehen, dass wir hier Fortschritte machen. Verstanden?»
    «Jawohl, Gruppenführer.»
    Nebe wandte sich um und sah mich endlich an. «Sie da. Hauptsturmführer Gunther. Sie kommen mit mir.»
    Ich folgte Nebe nach nebenan, wo vier junge SS -Offiziere vor offenen Schranktüren saßen und Akten studierten.
    «Alle raus hier», sagte Nebe. «Und machen Sie die Tür hinter sich zu. Und sagen Sie diesen faulen Säcken nebenan, sie sollen die Leiche wegschaffen, ehe die in der Hitze anfängt, alles vollzustinken.»
    Nebes Büro hatte bodenlange Fenster, einen Balkon und zwei Schreibtische. An der Wand hing ein schlechtes Porträt von Stalin in einer grauen Uniform mit roten Seitenstreifen an den Hosenbeinen, auf dem er asiatischer und weniger hellhäutig aussah als üblich.
    Nebe holte eine Flasche Schnaps und zwei Gläser aus einer Schreibtischschublade und goss uns großzügig ein. Wortlos leerte er sein Glas, wie ein Mann, der es satthatte, einen klaren Kopf zu bewahren, und schenkte sich bereits nach, während ich noch damit beschäftigt war, an meinem Glas zu schnuppern und meine Leber zu wappnen.

[zur Inhaltsübersicht]
Kapitel 7 MINSK 1941
    Ich hatte Nebe seit über einem Jahr nicht mehr gesehen. Er war gealtert und sah verbrauchter aus, als ich ihn in Erinnerung hatte. Sein graues Haar glänzte genauso silbrig wie sein Kriegsverdienstkreuz, und seine Augen waren so schmal geworden wie der dünne Schießschartenschlitz seines Mundes. Nur seine lange Nase und die abstehenden Ohren schienen einigermaßen unverändert.
    «Schön, dich wiederzusehen, Bernie.»
    «Hallo, Arthur.»
    «Da hab ich mein ganzes Leben lang Verbrecher gejagt, und jetzt bin ich selber einer geworden.» Er lachte müde. «Was sagst du dazu?»
    «Du könntest damit aufhören.»
    «Und dann? Ich bin bloß ein kleines Rädchen in Heydrichs Todesmaschinerie. Und die läuft auf Hochtouren. Ich könnte sie nicht anhalten, selbst wenn ich wollte.»
    «Früher hast du daran geglaubt, dass du was bewegen kannst.»
    «Das ist lange her. Seit dem Frankreichfeldzug hat Hitler Oberwasser. Keiner wagt es mehr, sich ihm entgegenzustellen. Daran wird sich nichts ändern, bis wir in Russland so richtig in der Scheiße stecken. Und ich bin sicher, dass dieser Tag kommen wird. Aber noch nicht. Leute wie du und ich, wir müssen abwarten.»
    «Und bis dahin, Arthur? Was geschieht mit diesen Menschen?»
    «Du meinst die Juden?»
    Ich nickte.
    Er kippte sein zweites Glas in sich hinein und zuckte dann die Achseln.
    «Dir ist das wirklich scheißegal, was?»
    Nebe lachte gequält auf. «Ich hab gerade ziemlich viel um die Ohren, Bernie», sagte er. «Himmler hat für nächsten Monat seinen Besuch angekündigt. Was erwartest du von mir? Soll ich mich in aller Ruhe mit ihm zusammensetzen und ihm erklären, dass das alles ein Fehler ist? Ihm begreiflich machen, dass Juden auch Menschen sind? Karl dem Fünften und dem Reichstag zu Worms erklären: ‹Hier stehe ich, ich kann nicht

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