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Mission Walhalla

Mission Walhalla

Titel: Mission Walhalla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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irgendwas Verdächtigem. «Die Frauen auch?»
    «Jawohl, Standartenführer.»
    «Ein Jammer. In Zukunft sollen alle Partisaninnen und NKWD -Frauen auf dem Marktplatz gehenkt werden, zur Abschreckung. Befehl von Heydrich. Verstanden?»
    «Jawohl.»
    Mundt war nicht viel älter als ich. Bei Kriegsbeginn war er Polizeioberst bei der Hamburger Schupo gewesen. Er war intelligent, aber er besaß nicht die Art von Intelligenz, die man für die Kripo brauchte: Um ein guter Kommissar zu sein, muss man die Menschen verstehen, und um die Menschen zu verstehen, muss man einer von ihnen sein. Mundt war anders. Er hatte nichts Menschliches an sich. Wahrscheinlich hatte er deshalb die meiste Zeit einen kleinen Dackel dabei, damit er nicht ganz so unmenschlich wirkte. Aber ich wusste es besser. Er war ein eiskalter aufgeblasener Drecksack. Er sprach immer in einem Tonfall, als würde er Rilke zitieren, und ich wollte am liebsten gleichzeitig gähnen und lachen und ihm die Fresse polieren. Was mir wohl auch anzusehen war.
    «Haben Sie was dagegen, Hauptsturmführer?»
    «Ich bin nicht besonders scharf drauf, Frauen aufzuhängen», sagte ich.
    Er rümpfte seine feine Nase und lächelte dünn. «Wenn Sie an Frauen denken, sind Sie auf was ganz anderes scharf, was?»
    «Da müssen Sie mich verwechseln, Standartenführer. Ich habe gemeint, dass ich nicht gern Krieg gegen Frauen führe. Ich bin da eher von der altmodischen Sorte. Sie wissen schon, die Genfer Konvention.»
    Mundt tat verwundert. «Sie haben dreißig Gefangene erschossen», sagte er. «Eine ziemlich seltsame Art, sich an die Genfer Konvention zu halten.»
    Ich sah mich in dem Büro um, das dafür, dass nur ein Arbeitsplatz eingerichtet war, überaus geräumig war. In einer Ecke des Zimmers gab es einen Einbauschrank mit einem kleinen Waschbecken, an dem ein Mann sich den nackten Oberkörper wusch. An der gegenüberliegenden Wand stand ein Safe. Ein SS -Unteroffizier presste ein Ohr dagegen wie an ein Radio und beschwor das Ding vergeblich, sich endlich zu öffnen. Auf dem Schreibtisch waren drei Telefone in unterschiedlichen Farben aufgereiht; hinter dem Schreibtisch saß ein weiterer SS -Offizier; an der Wand hing ein großer Stadtplan von Minsk. Auf dem Boden lag ein russischer Soldat, und falls das hier mal sein Büro gewesen war, ließen das Einschussloch hinter seinem linken Ohr und das Blut auf dem Linoleum keine Zweifel aufkommen, dass er darauf keine Ansprüche mehr geltend machen würde.
    «Außerdem, Hauptsturmführer Gunther», fügte Mundt hinzu, «darf ich Sie darauf aufmerksam machen, dass die Russen die Genfer Konvention nicht unterzeichnet haben.»
    Der Offizier hinter dem Schreibtisch erhob sich. «Sagten Sie Hauptsturmführer Gunther?»
    Er war ebenfalls Standartenführer, was bedeutete, dass ich erneut Haltung annehmen musste, als er um den Schreibtisch herumkam und sich vor mir aufbaute. Er war aus dem gleichen arischen Tümpel gekrochen wie Mundt und nicht minder arrogant.
    «Jawohl, Standartenführer.»
    «Sind Sie derselbe Hauptsturmführer Gunther, der heute Morgen angerufen hat, um den Befehl in Frage zu stellen, die Juden auf der Straße nach Minsk zu erschießen?»
    «Jawohl. Das war ich. Sie müssen Standartenführer Blume sein.»
    «Was zum Teufel fällt Ihnen ein, meine Befehle in Zweifel zu ziehen?», brüllte er. «Sie sind SS -Offizier, Sie haben dem Führer einen Eid geschworen. Der Befehl wurde erlassen, um den kämpfenden Truppen den Rücken freizuhalten. Diese Juden haben ihre eigenen Häuser angezündet, als der Kampfkommandant vor Ort ihnen befohlen hat, sie unseren Truppen als Unterkunft zur Verfügung zu stellen. Das allein ist doch wohl Grund genug für unsere Vergeltungsmaßnahmen.»
    «Ich habe in dem Gebiet keine brennenden Häuser gesehen, Standartenführer. Und Sturmbannführer Weis hatte den Eindruck, dass die alten Frauen nur erschossen werden sollten, weil sie Juden waren.»
    «Und wennschon? Die Juden in Sowjetrussland sind die intellektuellen Stützpfeiler der bolschewikischen Ideologie und damit unser natürlicher Feind. Ganz gleich, wie alt oder welchen Geschlechts. Juden zu töten ist eine Kriegshandlung. Das verstehen sogar die Juden selbst, im Gegensatz zu Ihnen. Ich wiederhole. Diese Befehle müssen im Interesse der Sicherheit aller Armeebereiche ausgeführt werden. Wo kämen wir denn da hin, wenn jeder Soldat seine Befehle erst ausführt, nachdem er in Ruhe überlegt hat, ob sie mit seinem Gewissen vereinbar sind

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