Mississippi Delta – Blut in den Bayous (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
das Telefon immer noch?«
»Was?«
»Das Telefon. Ich hab’s klingeln hören.«
»Nein. Es hat nicht gekli ... Dave, komm jetzt hier raus.«
»Es hat also nicht geklingelt, wie?« Wenn ich früher mein Delirium tremens hatte, riefen mich immer Tote am Telefon an. Auf eine verrückte Art mußte ich wieder dort angelangt sein.
An diesem Morgen fuhr ich wieder nach New Orleans, um mich nach Victor Romero umzusehen. Wie schon gesagt, war seine Strafakte keine große Hilfe, und ich wußte, daß er zweifellos weit intelligenter und viel gefährlicher war, als sie andeutete. Allerdings war anhand der Akte auch ersichtlich, daß er dieselben Laster, liederlichen Angewohnheiten und madigen Ansichten von der Welt hatte wie seinesgleichen fast immer. Ich redete mit Stadtstreichern im Quarter, Barmännern, ein paar Stripperinnen, die auf den Autostrich gingen, Taxifahrern auf Nachtschicht, die ihre Zuhälter waren, mit zwei schwarzen Hochstaplern, Schleppern an der Bourbon, einem Hehler in Algiers, einem abgehalfterten Junkie, der so fertig war, daß er sich den Stoff mittels einer mit dem weißen Rand eines Dollarscheins umwickelten Pipette in die ruinierten Schenkel verpaßte. Wenn einer überhaupt zugab, Romero gekannt zu haben, hielt er ihn für tot, sagte, er sei außer Landes oder in einem Bundesgefängnis. Mit ihnen zu sprechen war, als halte man auf einem Parkplatz einen Monolog.
Doch manchmal ist das, was man nicht zu hören bekommt, auch eine Aussage. Ich war überzeugt, daß er sich noch in New Orleans aufhielt – ich hatte die Straßenbahn im Hintergrund gehört, als er anrief –, und wenn er in der Stadt war, versteckte ihn wahrscheinlich jemand oder unterstützte ihn, denn er war weder Zuhälter noch Dealer. Ich ging zum Hauptsitz des Ersten Distrikt im Quarter und sprach mit zwei Detectives von der Sitte. Sie erklärten mir, sie hätten bereits versucht, Romero mittels seiner Verwandten ausfindig zu machen, aber er habe keine. Sein Vater war ein Obstpflücker gewesen, der in den sechziger Jahren in Florida verschwunden war, und die Mutter war in der staatlichen Psychiatrie in Mandeville gestorben. Er hatte weder Brüder noch Schwestern.
»Was ist mit Freundinnen?« fragte ich.
»Außer den Nutten kommt da nur die Faust in Frage«, sagte einer der Detectives.
Am Spätnachmittag fuhr ich durch einen Regenschauer zurück nach New Iberia. Die Sonne schien, während es regnete, und auf der gelben Oberfläche der Atchafalaya-Marsch tanzte das Licht.
Ich bog bei Breaux Bridge ab, parkte meinen Pickup am Henderson-See, stand inmitten von Butterblumen und Glockenblumen da und sah zu, wie der leichte Regen auf die Buchten und überfluteten Zypressen fiel. Am Ufer gab es dichte Schwärme riesiger schwarzer und gelber Heuschrecken, die mit lackschimmernden Rückenpanzern im dunstigen Licht aus dem Gras hüpften. Als wir noch Jungen waren, hatten mein Bruder und ich sie in unseren Strohhüten gefangen, bei Sonnenuntergang unsere Angelschnur mit ihnen bestückt und sie zwischen zwei aufgelassenen Bohrinseln gespannt, um am Morgen darauf war die Schnur so straff und schwer mit Katzenwelsen, daß wir sie nur mit vereinten Kräften aus dem Wasser bekamen.
Ich war es langsam müde, wieder Polizist zu spielen. Halte die Seele ständig an eine Schmirgelscheibe, und eines Tages hast du nur noch Luft in Händen. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf ließ ich Alafair und Batist an diesem Abend allein und nahm Robin mit zum Rennen in den Evangeline Downs in Lafayette. Wir aßen Krabben und Steak im Clubhaus, gingen dann wieder zu unseren Plätzen im Freien auf der Tribüne an der Ziellinie. Es war ein lauer Abend, und Wetterleuchten flammte über den Horizont im Süden; der Turf, noch feucht vom Nachmittagsschauer, war frisch geharkt, und um die Bogenlampen über uns hing ein dunstiger Schein. Robin trug ein weißes Sommerkleid aus Baumwolle mit aufgedruckten grünen und purpurnen Tigerlilien, und ihr gebräunter Hals und die Schultern wirkten im gedämpften Licht glatt und kühl Sie war noch nie bei einem Pferderennen gewesen, und bei den ersten drei Rennen ließ ich sie die Pferde wählen. Das eine Pferd wählte sie, weil es weiße Fesseln hatte, ein zweites wegen der purpurnen Seidenbluse des Jockeys und das dritte, weil das Gesicht des Jockeys, wie sie behauptete, wie ein Lebkuchenherz geformt war. Alle drei liefen gut ein und kamen in die Plazierung, und sie war hingerissen. Jedesmal wenn die Pferde um die letzte Kurve
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