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Mississippi Delta – Blut in den Bayous (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Mississippi Delta – Blut in den Bayous (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Mississippi Delta – Blut in den Bayous (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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Bezirksmeisterschaft im Boxen hatte ich bis aufs Blut mit ihm gekämpft. An seinem Gesicht konnte man sich die Hände brechen, und trotzdem marschierte er weiter, während die Pupillen glühten wie Holzscheite.
    Ich mußte mich da unbedingt heraushalten. Ich war kein Cop mehr, und meine Verpflichtungen lagen anderswo. Falls Bubba Rocques Leute in den Flugzeugabsturz verwickelt waren, ging ein blutig-böser Mond über den Bayous auf, und damit wollte ich nichts mehr zu tun haben. Sollten sich doch FBI und Ganoven gegenseitig rumscheuchen. Ich war da endgültig raus.
    Als ich heimkam, war das Haus unter den Pecanobäumen dunkel bis auf das Flackerlicht des Fernsehers im Wohnzimmer. Ich öffnete die Fliegendrahttür und sah, daß Annie auf einer Decke vor dem Fernsehgerät eingeschlafen war und der Deckenventilator die Löckchen an ihrem Nacken hochpustete. Zwei leere Eiscremebecher, beschmiert mit Erdbeersaft, standen neben ihr am Boden. Ganz in eine Ecke gedrückt, sah ich Alafair, die mein blaues Drillichhemd wie einen Pyjama trug und mit ängstlichem Gesicht auf den Bildschirm starrte. Ein Dokumentarfilm über den Zweiten Weltkrieg zeigte einen Trupp GIs, die außerhalb einer ausgebombten italienischen Stadt über einen Feldweg marschierten. Die Stahlhelme saßen schräg auf dem Kopf, Zigaretten baumelten aus grinsenden Mündern, ein BAR-Mann trug unter seiner zugeknöpften Kampfjacke ein Hundebaby. Doch für Alafair waren das nicht die Befreier Westeuropas. Ihr magerer Leib zitterte unter meinen Händen, als ich sie aufhob.
    » Vienen los soldados aqui? « fragte sie und verzog angstvoll das Gesicht.
    Sie hatte noch andere Fragen für uns. Solche, die sich mit Annies und meinem armseligen Spanisch nicht so leicht lösen ließen, beziehungsweise unbeantwortet blieben, weil wir Erwachsenen nicht willens waren, mit einem verstörten Kind über Tod und Sterblichkeit zu sprechen. Vielleicht fühlte sie im Schlaf noch immer die Hände ihrer Mutter, die sie hochhielten in die wandernde Luftblase im Innern der Flugzeugkabine; vielleicht hielt sie meine Macht für mehr als menschlich, glaubte, ich sei imstande, die Toten aus dem Wasser wieder auferstehen zu lassen, daß ich ihnen nur die Hand auflegen müßte, und schon würden sie die dunkle Welt des Schlafes verlassen. Alafairs Augen suchten die meinen, als sehe sie darin das Bild ihrer Mutter. Doch sosehr wir uns auch bemühten, weder Annie noch ich brachten es über uns, das Wort muerto auszusprechen.
    » Adónde ha ido mi mamá? « sagte sie am nächsten Morgen wieder.
    Und vielleicht lag in ihrer Frage die bestmögliche Antwort, die wir ihr darauf zu geben vermochten. Sie hatte nicht gefragt, was mit ihrer Mutter geschehen war; statt dessen hatte sie gefragt, wohin sie gegangen sei. Also fuhren wir mit ihr zur St. Peter’s Church in New Iberia. Vermutlich könnte man sagen, daß mein Lösungsversuch allzu einfach war, doch ich glaube fest, daß Ritual und Metapher aus gutem Grund existieren. Worte haben keine Herrschaft, weder über Geburt noch über den Tod, und sie machen letzteren niemals annehmbar, ganz gleich, wie oft man uns seine Unvermeidbarkeit auseinandersetzt. Wir hielten sie beide an der Hand und gingen mit ihr durch den leeren Mittelgang der Kirche auf die verzierten Metallständer mit brennenden Kerzen zu, die vor den Statuen von Maria, Joseph und dem Jesuskind aufgestellt waren.
    » Ta maman est avec Jésus « , sagte ich zu ihr auf französisch. » Au ciel. «
    Ihre Augen blinzelten mich an.
    » Cielo? « fragte sie.
    »Ja, im Himmel. Au ciel « , sagte ich.
    » En el cielo « , sagte Annie. »Im Himmel.«
    Alafair war offensichtlich verblüfft, als sie von einem zum anderen schaute. Dann sah ich, wie ihre Lippen sich verzogen und Wasser in ihre Augen trat.
    »Na na, kleines Kerlchen«, sagte ich, nahm sie auf und setzte sie mir auf die Hüfte. »Komm, ich möchte, daß du eine Kerze anzündest. Pour ta maman. «
    Ich entzündete den Fidibus an einer brennenden Kerze, schob ihn ihr in die Hand und half ihr dabei, damit über den Docht im Innern einer großen, gläsernen Kerzenschale zu streichen. Sie beobachtete, wie das kleine, tropfenförmige Flämmchen vom Wachs aufstieg. Dann lenkte ich ihre Hand mit dem brennenden Zunderholz zum nächsten Docht und dann zum übernächsten.
    Ihre feucht schimmernden Augen glänzten im roten und blauen Schein aus dem Innern der Glasbehälter auf dem eisernen Ständer. Ihre Beine auf meiner Hüfte waren gespreizt

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