Mississippi Delta – Blut in den Bayous (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
herumtrieben, haßte er jede regelmäßige Arbeit und damit die Welt der Normalsterblichen wie die Pest.
Eine Stunde nachdem ich von meinem Besuch bei der DEA aus Lafayette zurückgekehrt war, hatten sich die Regenwolken fast vollständig verzogen, und der Horizont im Westen erstrahlte feuerrot im Sonnenuntergang. Zikaden schrillten in den Bäumen, und die ersten Leuchtkäfer strahlten in der Dunkelheit. Wir saßen im Wohnzimmer, wo Felix ruhig auf spanisch mit Alafair über ihre Eltern sprach, ihr Dorf, einen kleinen geographischen Flecken, kaum mehr als eine bunte Briefmarke, und für sie die einzige Welt, die sie gekannt hatte. Doch bei ihrer Unterhaltung reiste ich in Gedanken über Meere, zurück über zwei Jahrzehnte zu anderen Dörfern, die nach Fischköpfen rochen, nach Tierdung, Hühnerverschlägen, säuerlichem Schlamm, stehendem Wasser, menschlichen Exkrementen, von Schwären bedeckten Kindern ohne Hosen, die auf die Straße pinkelten. Und dann war da noch jener andere Geruch, dieser Gestank nach Soldaten, die sich seit Tagen nicht gewaschen hatten und nichts anderes im Sinn hatten als geile Phantasien und wie sie ihre Feinde und die Ursache all ihrer Unbilden in blutigen Dunst verwandeln könnten.
Aber ich schweife ab und verfalle meiner eigenen Nabelbeschau. Ihre Geschichte war wichtiger als meine, da ich aus freiem Willen dabeigewesen war und sie nicht. Ich hatte freiwillig mitgeholfen, modernste Technologie – Napalm und M–16 und AK–47 – zu Menschen zu bringen, die ihren Reis mit bloßen Händen ernteten. Andere hatten Alafair und ihre Familie als Empfänger unserer industriellen Gaben an die Dritte Welt auserkoren.
Sie sprach, als erzähle sie einen schlechten Film, den sie nur teilweise verstanden hatte, und Annie und ich konnten einander kaum in die Augen sehen, weil wir fürchteten, auch in uns jene menschlichen Ungeheuer zu erkennen, von denen sie berichtete. Felix übersetzte:
– Die Soldaten tragen Messer und Kneifzangen, um den Leuten im Dorf die Gesichter zu stehlen. Mein Onkel ist weggelaufen in den Busch, und am nächsten Tag haben wir ihn da gefunden, wo sie ihn zurückgelassen haben. Meine Mutter hat versucht, mir die Augen zu verdecken, aber ich konnte trotzdem sehen. Seine Daumen waren mit Draht zusammengebunden, und sie hatten ihm sein Gesicht weggenommen. Es war heiß im Busch, und wir konnten die Fliegen summen hören. Manchen Leuten wurde vom Geruch schlecht, und sie haben sich vollgekotzt.
– Da ist mein Vater dann auch weggerannt. Meine Mutter hat gesagt, daß er mit anderen Männern aus dem Dorf in die Berge gegangen ist. Ich glaube, manchmal haben die Hubschrauber sie gejagt, weil wir die Schatten über unser Haus und dann über die Straße und die Felder haben wegfliegen sehen. Und dann sind sie in der Luft stehengeblieben und haben zu schießen angefangen. An den Seiten hatten sie Rohre, aus denen Rauch gepufft ist, und die Felsen und Bäume am Berghang sind in die Luft geflogen. Das Gras und die Büsche waren trocken und haben Feuer gefangen, und nachts konnten wir sie hoch oben in der Dunkelheit brennen sehen, und wir haben den Rauch im Wind gerochen.
»Frag sie, was mit ihrem Vater passiert ist«, forderte ich Felix auf.
» Dónde está tu padre ahora? «
– Vielleicht ist er mit den Lastwagen weggefahren. Die Lastwagen sind in die Berge, dann sind sie mit vielen Männern aus dem Dorf zurückgekommen. Sie haben sie mit an einen Ort genommen, wo die Soldaten leben, und wir haben sie nicht wiedergesehen. Mein Cousin sagt, die Soldaten haben ein Gefängnis, ganz weit weg, und sie halten da viele Leute fest. Vielleicht ist mein Vater bei ihnen. Der amerikanische Priester hat gesagt, er will versuchen, das herauszufinden, aber wir müßten das Dorf verlassen. Er hat gesagt, sie tun mit meiner Mutter genau dasselbe, was sie der anderen Dame wegen der Klinik angetan haben –
Sie saß jetzt stumm auf der Couch und starrte durch die Fliegendrahttür hinaus auf die Leuchtkäfer in der Dämmerung. Aus ihrem sonnengebräunten Gesicht war alle Farbe gewichen, und es hatte dieselben blassen, blutleeren Flecken wie an dem Tag, da ich sie aus dem Wasser gezogen hatte. Annie strich über ihr kurzgeschnittenes Haar und drückte ihre Schultern.
»Dave, das reicht doch wohl«, sagte sie.
»Nein, sie muß alles erzählen. Sie ist noch viel zu klein, um dieses Zeug allein mit sich rumzuschleppen«, sagte ich. Und dann zu Felix gewandt: »Welche andere Dame?«
» Quién es
Weitere Kostenlose Bücher