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Mister Aufziehvogel

Mister Aufziehvogel

Titel: Mister Aufziehvogel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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viele Jahre ist es wohl her, daß ich ihn zuletzt gesehen habe? Ich weiß nicht - zumindest kommt es mir wie Jahre vor.« Er holte eine Zigarette aus der Tasche seines Jacketts, und nachdem er augenscheinlich sorgfältig gezielt hatte, zündete er mit energischem Schwung ein Streichholz an. »Ich habe ihm das Haus seinerzeit vermittelt, und ich habe es auch lange für ihn verwaltet. Es ist jedenfalls schön zu hören, daß er viel zu tun hat.« Der alte Herr Ichikawa dagegen wirkte alles andere als vielbeschäftigt. Ich vermutete, daß er schon halb im Ruhestand war und nur gelegentlich ins Büro kam, um langjährige Kunden zu betreuen. »Und, wie gefällt es Ihnen im Haus? Keine Probleme?«
    »Nein, überhaupt keine«, sagte ich.
    Der alte Mann nickte. »Das ist gut. Es ist ein hübsches Anwesen. Vielleicht nicht sehr groß, aber es wohnt sich dort angenehm. Den Bewohnern ist es immer gut ergangen. Ihnen auch?«
    »Ja, so weit ganz gut«, sagte ich zu ihm. Zumindest bin ich noch am Leben, sagte ich mir. »Aber ich würde Sie gern etwas fragen. Mein Onkel meint, Sie wüßten über dieses Viertel besser Bescheid als jeder andere.«
    Der alte Mann schmunzelte. » Wenn ich etwas kenne, dann dieses Viertel«, sagte er. »Ich handle hier seit bald vierzig Jahren mit Immobilien.«
    »Wonach ich Sie fragen wollte, ist das Haus der Miyawakis, hinter unserem. Es ist abgerissen worden, wie Sie vielleicht wissen.«
    »Ja ich weiß«, sagte der alte Mann und schürzte die Lippen, als kramte er in den Schubladen seines Gedächtnisses. »Es ist letzten August verkauft worden. Sie haben es endlich geschafft, die ganzen Probleme mit Banken und Grundbuchamt und Nachlaßgericht zu regeln, und haben sofort inseriert. Ein Spekulant hat es gekauft, um das Haus abzureißen und das Grundstück zu verkaufen. Ein Haus kann noch so gut sein, wenn es so lange leersteht, geht es nicht mehr weg. Natürlich waren die Käufer nicht von hier. Kein Ortsansässiger würde mit dem Anwesen etwas zu tun haben wollen. Kennen Sie die Geschichten?«
    »Ja, mein Onkel hat mir davon erzählt.«
    »Dann wissen Sie auch, wovon ich spreche. Wahrscheinlich hätten wir es übernehmen und an jemanden verkaufen können, der nichts von der Sache weiß, aber das ist nicht unsere Art, Geschäfte zu machen. Solche Sachen hinterlassen einen schlechten Nachgeschmack.«
    Ich nickte beipflichtend. »Und wer hat es dann gekauft?«
    Der alte Mann runzelte die Brauen und schüttelte den Kopf, dann nannte er mir den Namen einer bekannten Immobilienfirma. »Sie haben wahrscheinlich keinerlei Recherchen angestellt, haben einfach sofort zugegriffen, als sie die Lage und den Preis sahen, haben sich wohl einen schnellen Profit versprochen. Aber das wird nicht so einfach sein.«
    »Sie haben’s nicht verkaufen können?«
    »Sie standen ein paarmal kurz davor«, sagte der alte Mann und verschränkte die Arme. »Der Kauf eines Grundstücks ist keine Kleinigkeit. Es ist eine Investition fürs Leben. Die Kunden sind vorsichtig. Wenn man ein bißchen nachgräbt, kommen immer irgendwelche Geschichten zum Vorschein, und in diesem speziellen Fall ist nicht eine einzige gute darunter. Wenn ein normaler Mensch so was hört, springt er sofort ab. Hier in der Gegend kennen die meisten Leute die Geschichten über dieses Haus.«
    »Was verlangt die Firma?«
    »Was sie verlangt?«
    »Für das Grundstück, auf dem früher das Haus der Miyawakis stand.« Der alte Herr Ichikawa sah mich mit einer Miene an, die zeigte, daß ich seine Neugier geweckt hatte. »Also lassen Sie mich nachdenken. Das Grundstück hat etwas über zweiunddreißig Ar. Nicht ganz hundert tsubo. Der Marktpreis käme auf anderthalb Millionen Yen pro tsubo. Ich meine, es ist erstklassiges Bauland wunderbare Umgebung, Südlage. Anderthalb Millionen, kein Problem, selbst bei der gegenwärtig flauen Marktlage. Man müßte vielleicht ein Weilchen warten, aber bei der Lage bekäme man den Preis schon raus. Normalerweise. Aber an dem Miyawaki-Grundstück ist nichts normal. Das bleibt liegen, egal, wie lang man wartet. Also muß der Preis runtergehen. Er ist schon bei eins Komma eins Millionen pro tsubo angelangt, also mit ein bißchen Handeln könnten Sie das ganze Areal wahrscheinlich für glatte hundert Millionen bekommen.«
    »Meinen Sie, der Preis wird noch weiter fallen?«
    Der alte Mann nickte einmal entschieden. »Natürlich. Auf neunhunderttausend pro tsubo mit Leichtigkeit. Das ist das, was sie selbst gezahlt haben. So langsam

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