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Mister Aufziehvogel

Mister Aufziehvogel

Titel: Mister Aufziehvogel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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machen sie sich ernsthafte Sorgen. Sie wären mehr als froh, wenn sie auch nur ihren Einsatz wieder herausbekämen. Ich weiß nicht, ob sie noch weiter runtergehen würden. Wenn sie in einen Liquiditätsengpaß gerieten, würden sie sich vielleicht mit einem Verlust abfinden. Ansonsten können sie es sich leisten zu warten. Ich weiß einfach nicht, was in dieser Firma intern abläuft. Eins weiß ich allerdings: daß es ihnen schon leid tut, das Objekt gekauft zu haben. Mit diesem Grundstück wird keiner glücklich.« Er schnippte die Asche seiner Zigarette in den Aschenbecher.
    »Auf dem Grundstück befindet sich doch ein Brunnen, oder?« fragte ich. »Wissen Sie irgend etwas darüber?«
    »Hmm, tja, ein Brunnen ist da wohl«, sagte Herr Ichikawa. »Ein tiefer Brunnen. Aber ich glaube, sie haben ihn zugeschüttet. Schließlich war er trocken. Nutzlos.«
    »Haben Sie eine ungefähre Vorstellung, wann er ausgetrocknet ist?« Er starrte eine Zeitlang mit verschränkten Armen zur Decke. »Das ist lange her. Ich kann mich, ehrlich gesagt, nicht erinnern, aber ich bin mir sicher, gehört zu haben, daß er irgendwann vor dem Krieg noch Wasser hatte. Er muß nach dem Krieg versiegt sein. Wann genau, weiß ich nicht. Aber ich weiß, daß er trocken war, als die Schauspielerin da eingezogen ist. Es wurde damals viel darüber diskutiert, ob man den Brunnen zuschütten sollte oder nicht. Aber dann hat nie jemand etwas unternommen. Wäre wohl ein zu großer Aufwand gewesen.«
    »Der Brunnen auf dem Grundstück der Kasaharas, direkt auf der anderen Seite der Gasse, hat noch immer viel Wasser - gutes Wasser, habe ich gehört.«
    »Durchaus möglich, durchaus möglich. Die Brunnen in der Gegend haben schon immer wohlschmeckendes Wasser geliefert. Hat mit dem Boden zu tun. Aber wissen Sie, Wasseradern sind eine heikle Angelegenheit. Es ist nicht selten, daß man an einer Stelle Wasser findet und gleich nebenan keinen Tropfen. Interessieren Sie sich für den Brunnen aus einem bestimmten Grund?«
    »Um ehrlich zu sein, ich möchte dieses Stück Land kaufen.« Der alte Mann hob den Blick und fixierte mich. Dann führte er seine Teetasse an die Lippen und nahm einen Schluck. »Sie möchten dieses Stück Land kaufen?« Ich antwortete mit einem schlichten Nicken.
    Der alte Mann holte eine weitere Zigarette aus seinem Päckchen und klopfte sie auf der Tischplatte fest. Statt sie anzuzünden, behielt er sie dann aber lediglich zwischen den Fingern. Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Lassen Sie mich noch einmal betonen, daß das ein sehr problembeladenerer Fleck Erde ist. Niemandem - und ich meine, überhaupt niemandem - ist es da je gut ergangen. Ist Ihnen das auch klar? Der Preis kann noch so tief in den Keller gehen, ein guter Kauf wird dieses Grundstück nie. Sie wollen es trotzdem haben?«
    »Ja, ich will es trotzdem, trotz allem, was ich darüber weiß. Aber lassen Sie mich eins sagen: Ich habe nicht genug Geld, um das Grundstück zu kaufen, egal, wie tief der Preis unter den Marktwert fällt. Aber ich bin fest entschlossen, das Geld zusammenzubringen, auch wenn es eine Weile dauern wird. Deswegen möchte ich über etwaige neue Entwicklungen auf dem laufenden bleiben. Könnte ich mich darauf verlassen, daß Sie mich benachrichtigen, wenn der Preis sich ändert oder wenn ein Interessent auftaucht?«
    Eine Zeitlang starrte der alte Mann nur gedankenverloren auf seine unangezündete Zigarette. Dann räusperte er sich einmal kurz und sagte: »Machen Sie sich keine Sorgen, Sie haben Zeit. Ich kann Ihnen garantieren, daß sich für das Objekt so bald kein Käufer findet. Die bleiben darauf sitzen, bis sie es praktisch verschenken, und damit ist so bald nicht zu rechnen. Lassen Sie sich also für die Finanzierung ruhig so viel Zeit, wie Sie brauchen. Wenn Sie es wirklich haben wollen. « Ich gab ihm meine Telefonnummer. Der alte Mann trug sie in ein schweißfleckiges schwarzes Adressenbüchlein ein. Nachdem er das Büchlein wieder in die Tasche seines Jacketts gesteckt hatte, sah er mir eine Zeitlang in die Augen und richtete dann den Blick auf das Mal an meiner Wange.
    Der Februar endete, und der März war schon halb vorüber, als die Eiseskälte endlich etwas nachzulassen begann. Aus dem Süden wehten warme Winde herauf Die Bäume trieben Knospen, und im Garten zeigten sich neue Vögel. Bald konnte ich mich an warmen Tagen wieder für eine Weile auf die Veranda setzen und in den Garten sehen. Eines Abends erhielt ich einen Anruf

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