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Mister Aufziehvogel

Mister Aufziehvogel

Titel: Mister Aufziehvogel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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in die Mandschurei gekommen war, hatte er unzählige sture, fanatische junge Offiziere aus der Heimat getroffen, und die Erfahrung hatte ihn jedesmal erschüttert. Die meisten von ihnen waren Bauernsöhne, die in der Wirtschaftskrise der dreißiger Jahre aufgewachsen waren und die bitterste Armut erlebt hatten, während ihnen ein größenwahnsinniger Nationalstolz in den Schädel gehämmert wurde. Sie führten jede Anordnung, wie hanebüchen sie auch sein mochte, gedanken- und widerspruchslos aus. Hätte man ihnen im Namen des Kaisers befohlen, einen Tunnel quer durch die Erde bis nach Brasilien zu graben, sie hätten sich eine Schaufel gegriffen und sich an die Arbeit gemacht. Manche Leute nannten das »Reinheit«, aber der Tierarzt hatte dafür andere Bezeichnungen. Als Sohn eines Stadtarztes in der relativ liberalen Atmosphäre der zwanziger Jahre aufgewachsen, konnte der Tierarzt diese jungen Offiziere nicht verstehen. Ein paar Elefanten mit kleinkalibrigen Waffen zu erschießen sollte eigentlich ein ganzes Stück einfacher sein, als einen Tunnel quer durch die Erde nach Brasilien zu graben, aber der Leutnant, der das Erschießungskommando befehligt hatte, war anscheinend trotz seines leichten ländlichen Akzents ein normalerer Mensch als die anderen jungen Offiziere, die der Tierarzt bis dahin kennengelernt hatte - kultivierter und vernünftiger. Der Tierarzt hatte es daran gemerkt, wie der junge Mann sprach und sich verhielt.
    Jedenfalls waren die Elefanten nicht erschossen worden, und der Tierarzt sagte sich, daß er wahrscheinlich dankbar dafür sein sollte. Auch die Soldaten mußten froh gewesen sein, daß diese Pflicht ihnen erspart blieb. Die chinesischen Arbeiter mochten die Begnadigung bedauert haben - immerhin war ihnen dadurch eine Menge Fleisch und Elfenbein durch die Lappen gegangen. Der Tierarzt brachte Wasser in einem Kessel zum Kochen, machte seinen Bart mit einem heißen Handtuch weicher und rasierte sich. Dann nahm er sein einsames Frühstück ein: Tee, Toast und Butter. Die Lebensmittelsrationen waren in der Mandschurei alles andere als ausreichend, aber im Vergleich mit denen an anderen Orten konnte man sie noch fast als üppig bezeichnen. Das war sowohl für ihn selbst als auch für die Tiere erfreulich. Zwar nahmen die Tiere die Kürzung ihrer Futterrationen sichtlich übel, aber die hiesige Situation war immer noch erheblich besser als in den Zoos in der Heimat, wo es bereits überhaupt kein Futter mehr gab. Niemand konnte wissen, was die Zukunft bringen würde, aber vorläufig wenigstens brauchten Menschen wie Tiere noch nicht bedrohlich zu darben. Er fragte sich, wie es seiner Frau und seiner Tochter ergehen mochte. Wenn alles planmäßig verlaufen war, hatte ihr Zug mittlerweile Pusan erreicht. Dort wohnte sein Cousin, der bei der Eisenbahn arbeitete, und bis sie an Bord des Schiffes, das sie nach Japan bringen würde, gehen konnten, würden die Frau und die Tochter des Tierarztes bei der Familie des Cousins bleiben. Der Arzt vermißte es, sie morgens beim Aufwachen zu sehen. Er vermißte es, sie munter plaudern zu hören, während sie den Frühstückstisch deckten. Eine hohle Stille herrschte im Haus.
    Dies war nicht mehr das Heim, das er liebte, der Ort, an den er gehörte. Und dennoch konnte er nicht umhin, zugleich eine gewisse seltsame Freude darüber zu empfinden, daß er allein in dieser leeren Amtswohnung zurückgeblieben war; jetzt konnte er sich der unerbittlichen Macht des Schicksals öffnen und sie in seinen Knochen spüren, in seinem Fleisch.
    Im Schicksal an sich bestand die tödliche Krankheit des Arztes. Soweit er sich zurückerinnern konnte, hatte er das beunruhigend klare Bewußtsein gehabt, als Individuum unter der Kontrolle einer äußeren Macht zu stehen. Die Ursache davon mochte das leuchtend blaue Mal an seiner rechten Wange sein. Als Kind hatte er dieses Mal gehaßt: dieses körperliche Zeichen, das er und nur er zu tragen verdammt war. Jedesmal, wenn die anderen Kinder ihn deswegen hänselten oder Fremde ihn anstarrten, wäre er am liebsten gestorben. Hätte er sich dieses Stück seiner selbst doch nur mit einem Messer wegschneiden können! Aber mit den Jahren hatte er es nach und nach gelernt, dieses Mal, das nie wieder aus seinem Gesicht verschwinden würde, zu akzeptieren. Und das hatte ihm vielleicht geholfen, in allen Fragen, die mit dem Schicksal zusammenhingen, eine Haltung stiller Resignation anzunehmen.
    Die meiste Zeit über spielte die Macht des

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