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Mister Aufziehvogel

Mister Aufziehvogel

Titel: Mister Aufziehvogel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Zeit hat ein anderes Magazin einen thematisch damit zusammenhängenden Artikel gebracht, aber zum Glück ist der Zusammenhang anscheinend niemandem aufgefallen. Bislang. «
    »Steht da irgend etwas Neues drin? Über uns? «
    Sie beugte sich zum Aschenbecher vor und drückte ihre Zigarette aus. Dann antwortete sie mit einem leichten Kopfschütteln. Ihre grünen Ohrringe flatterten wie Schmetterlinge im Frühling.
    »Eigentlich nicht«, sagte sie und hielt dann kurz inne. »Wer wir sind, was wir hier tun: das weiß noch niemand. Ich lasse Ihnen die Zeitschrift da, dann können Sie das nachlesen, wenn es Sie interessiert. Aber ich wollte Sie eigentlich nach etwas anderem fragen, etwas, was mir neulich jemand zugeflüstert hat: daß Sie einen Schwager haben sollen, der ein bekannter junger Politiker ist. Stimmt das?«
    »Leider Gottes ja«, sagte ich. »Der Bruder meiner Frau.«
    »Das heißt, der Bruder der Frau, die Sie verlassen hat?«
    »Genau.«
    »Ich frage mich, ob er Wind davon bekommen hat, was Sie hier tun.«
    »Er weiß, daß ich jeden Tag hierherkomme und daß ich hier irgend etwas tue. Er hat jemanden Nachforschungen anstellen lassen. Ich glaube, es hat ihm zugesetzt, nicht zu wissen, was ich hier treibe. Aber ich glaube nicht, daß er bislang schon mehr herausbekommen hat.«
    Muskat dachte eine Zeitlang über meine Antwort nach. Dann hob sie das Gesicht und sah mich an. »Sie mögen diesen Schwager nicht besonders, wie?«
    »Nicht besonders, nein.«
    »Und er mag Sie nicht.«
    »Um’s vorsichtig auszudrücken.«
    »Und jetzt zerbricht er sich darüber den Kopf, was Sie hier tun. Warum?«
    »Wenn sich herausstellen sollte, daß sein Schwager in irgendwelche dunklen Machenschaften verwickelt ist, könnte das einen Skandal um ihn auslösen. Schließlich steht er im Rampenlicht der Öffentlichkeit. Es ist wohl nur natürlich, daß er sich um derlei Dinge Gedanken macht.«
    »Dann dürfte er also nicht derjenige sein, der den Medien Informationen über dieses Haus zuspielt?«
    »Um ganz ehrlich zu sein, ich weiß nicht, was Noboru Wataya im Schilde führt. Aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, daß er etwas davon haben könnte, der Presse Informationen zuzuspielen. Es dürfte weit eher in seinem Interesse liegen, daß überhaupt nichts an die Öffentlichkeit dringt.« Lange saß Muskat stumm da und drehte das schlanke goldene Feuerzeug immer wieder zwischen ihren Fingern. Es sah aus wie eine goldene Windmühle an einem Tag mit wenig Wind.
    »Warum haben Sie uns von diesem Schwager nichts erzählt?« fragte Muskat. »Nicht nur Ihnen nicht. Ich bemühe mich, ihn vor niemandem zu erwähnen«, sagte ich. »Wir haben uns von Anfang an nicht leiden können, und mittlerweile sind wir praktisch so weit, daß wir uns hassen. Ich habe Ihnen seine Existenz nicht verheimlicht. Ich sah nur keine Veranlassung, die Sache zur Sprache zu bringen.«
    Muskat stieß einen etwas längeren Seufzer aus. »Sie hätten es uns sagen sollen.«
    »Vielleicht«, sagte ich.
    »Sie können sich sicher vorstellen, was hier auf dem Spiel steht. Unsere Klientinnen kommen aus den höchsten Kreisen von Politik und Wirtschaft. Es sind mächtige Leute. Und berühmte Leute. Ihre Intimsphäre muß geschützt werden. Das wissen Sie.« Ich nickte.
    »Zimt hat eine ganze Menge Zeit und Mühe aufgewandt, um das komplizierte lückenlose System zu konstruieren, das unsere Sicherheit gewährleistet - ein Labyrinth von Scheingesellschaften, aufwendig getarnte Geschäftsbücher, eine völlig anonyme Parkbucht in der Tiefgarage dieses Hotels in Akasaka, genau geregelter ›Publikumsverkehr‹, strenge Kontrolle von Einnahmen und Ausgaben, Entwurf und Ausstattung dieses Hauses: all das geht auf ihn zurück. Bislang hat alles fast genau so funktioniert wie vorausberechnet. Natürlich kostet es eine Menge, ein solches System aufrechtzuerhalten, aber Geld spielt für uns keine Rolle. Die Hauptsache ist, daß die Frauen, die zu uns kommen, sich darauf verlassen können, daß sie hier absolut sicher sind.«
    »Sie wollen also damit sagen, daß diese Sicherheit im Augenblick untergraben wird.«
    »Ja, leider.«
    Muskat holte eine Zigarette aus ihrer Schachtel, behielt sie aber dann lange in der Hand, ohne sie anzuzünden.
    »Und um die Sache noch schlimmer zu machen, habe ich diesen ziemlich bekannten Politiker zum Schwager, was das Risiko eines Skandals erhöht.«
    »Genau«, sagte Muskat und schürzte leicht die Lippen. »Und wie schätzt Zimt die

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