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Mister Peanut

Mister Peanut

Titel: Mister Peanut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Ross
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    Sie verlor ihr Übergewicht. Bei den nachfolgenden Operationen wurden die ausgeleierte Haut gestrafft und das überschüssige Gewebe entfernt. Wegen des Magenbandes kam es zu Komplikationen, insbesondere zu akutem Vitaminmangel; während einer besonders dramatischen Phase fürchteten die Ärzte sogar, Alice dauerhaft intravenös ernähren zu müssen. Trotzdem gingen David und Alice aus dieser Zeit mit einem gestärkten Bewusstsein füreinander hervor, sie hatten sich verwandelt, ohne es zu bemerken, und da war sie nun, die neue, sechzig Kilo leichte Alice. Aus dem Davor war ein unveränderliches Danach geworden, und David bekam eine neue Frau zurück, ohne auf die alte verzichten zu müssen; und als feststand, dass Alice ihr Gewicht endgültig halten würde, entschieden sie sich, ohne zu zögern, für eine Adoption.
    Auf Empfehlung eines Freundes traten sie den Weg durch die Institutionen an, bewarben sich bei den katholischen Hilfswerken und unterzogen sich den anstrengenden Voruntersuchungen, Hintergrundprüfungen und den Kursen für zukünftige Adoptiveltern. Man sagte ihnen, dass sie möglicherweise jahrelang würden warten müssen. Es war ein Zeichen von Arroganz, dachte David, von sozialdarwinistischer Abschätzung sogar, aber als sie zum ersten Mal den Abendkurs besuchten und er sich in der Runde umsah und die anderen Paare in kleine Gruppen zerfielen und untereinander ins Gespräch kamen, war er plötzlich überzeugt, den Vorrang zu bekommen, sollte ein Kind verfügbar werden. Sie wären die Ersten, die einen Blick auf den Kleinen würden werfen dürfen. Oder auf die Kleine. Oder auf beide. Her mit den Zwillingen. Drillingen. Sie waren bereit. Der Verein machte sich ausdrücklich für offene Adoptionen stark, bei denen die leibliche Mutter nicht anonym blieb, sondern in einem gewissen Rahmen den Kontakt zum Kind von Geburt an aufrechterhalten konnte. Damit waren er und Alice einverstanden, so wie mit den zahlreichen anderen Bedingungen auch.
    Später gelang es ihm, den anfänglichen Mangel an Verbundenheit, den er Grace gegenüber verspürte (den Namen hatten sie zusammen ausgesucht), in Worte zu fassen, den Schwindel, der ihn packte, als er sie im Krankenhaus zum ersten Mal im Arm hielt; dass es ihm so vorgekommen war, als befehle ihm gerade ihre Schutzlosigkeit, sie fallen zu lassen (genauso, wie das Fensterbrett ihm zuraunte, er solle endlich springen); dass er, ehrlich gesagt, Angst vor ihr hatte und dass das Gefühl sich in nichts davon unterschied, die Tochter eines Bekannten im Arm zu halten, ein Umstand, der Grace, wie er fürchtete, nicht verborgen bleiben konnte. Aber schon wenige Wochen später konnte er die Veränderung beschreiben, die geheimnisvollerweise eingetreten war, seine neuen Gefühle, denn wenn er sie gefüttert und sie sich der Länge nach auf die Oberschenkel gelegt hatte, damit sie ihn betrachten konnte, das Baby kaum mehr als ein Gesicht in einem Windelpaket, dann überkamen ihn Liebesgefühle, wie er sie bis dahin nicht gekannt hatte, eine Liebe, so unerschöpflich und verletzlich, dass sie in vielerlei Hinsicht besser und gleichzeitig schlechter war als seine Liebe zu Alice. Schlechter , weil er wusste, dass er zwar den Tod seiner Frau überleben würde, nicht aber den seiner Tochter, und so kam es, dass er Alice manchmal anfuhr, weil sie seiner Ansicht nach zu sorglos mit dem Säugling umging, auch wenn dieser Vorwurf absolut unbegründet war. Und besser als seine Liebe zu Alice, weil sie ihm während der ersten, schlaflosen Monate die nötige Geduld verlieh, das Baby zu füttern und zu wiegen und herumzutragen, obwohl es immer genau in dem Moment zu kreischen anfing, wenn er kurz vorm Zusammenbruch stand; wegen des Großmuts, den sie ihm schenkte, wegen seiner neuen Gelassenheit und Energiegeladenheit. Die Erleichterung und die Schönheit, die Freuden des bedingungslosen Gebens. Er war allzeit bereit . Immer auf dem Sprung. Da für das Kind, da, um seine Bedürfnisse zu erfüllen und auf diesem Umweg auch die seiner Frau. Er fühlte sich Alice tiefer verbunden als je zuvor im Leben, denn das gemeinsame Interesse vereinte sie bedingungslos. Manchmal brauchten sie sich nicht einmal mehr abzusprechen. »Ja«, sagte er und nahm ihr Grace aus dem Arm, denn er wusste schon Bescheid.
    Er wusste Bescheid. Endlich war er, er fühlte es deutlich, bei sich angekommen, er hatte seine Mitte gefunden, eine lebendige Quelle in der Hülse seiner Existenz. Endlich wusste er, wer er

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