gleich drum und ruf dich dann an.«
Zu Hause ist es ganz still, aber die Jacke meiner Mutter hängt an der Garderobe. Wahrscheinlich sitzt sie wieder oben am PC und lernt für ihre Zusatzausbildung.
»Mam, Mira und ich machen eine Reportage für die neue Schülerzeitung über die Austauschschüler aus Italien. Cool, oder?«
Meine Mutter fasst sich ans Herz. »Karo, bitte! Erschreck mich nicht so!«, ruft sie. »Du möchtest doch auch, dass ich bei dir anklopfe, bevor ich in dein Zimmer komme, oder?«
»Ja … sorry«, sage ich und umarme sie. »Aber mir schwirrt gerade der Kopf!« Hinter ihr, auf dem Tisch, steht ihr neuer Laptop, aber sie scheint nicht zu lernen, sondern ist im Internet unterwegs …
»Was machst du denn da?«, frage ich irritiert. Die Frage ist eigentlich überflüssig, denn mit einem Blick habe ich gesehen, was es für eine Website ist.
»Ach, äh, ich surfe einfach nur mal so ein bisschen herum …« Meine Mutter wird leicht rot und klappt den Bildschirm herunter. »So als kleine Lernpause. Nichts Besonderes.«
»Und warum darf ich es dann nicht sehen?«, bohre ich weiter. Das, was ich da gerade gesehen habe, gefällt mir gar nicht!
»Weil das meine Angelegenheit ist«, sagt sie bestimmt und schiebt mich aus ihrem Arbeitszimmer. »So, und jetzt mache ich uns mal einen Tee und du erzählst mir von diesen Italienern, einverstanden?«
Eine halbe Stunde später segelt auch Lisa in die Küche und setzt sich zu uns. Ihre gute Laune ist nicht zu übersehen.
»Na, war die gestrige Radtour wohl schön?«
»Man könnte sagen, dass es mit die schönste Radtour meines bisherigen Lebens war«, sagt sie und zwinkert mir zu.
»Seit wann bist du plötzlich sportlich?«, fragt meine Mutter erstaunt. »Radtour? Ich glaube, ich höre nicht richtig.«
»Ach weißt du, das bringt der Frühling eben so mit sich.« Lisa strahlt derart, dass es für Nichtverliebte und anderes Bodenpersonal kaum auszuhalten ist. »Und es ist ja gesund, sich viel zu bewegen, oder? Sagst du doch selber immer!«
Dann schnappt sie sich eine Tasse Tee und verlässt summend die Küche.
»Erstaunlich«, sagt meine Mutter und steht ebenfalls auf. »Na, dann mache ich auch mal mit meinen Hausaufgaben weiter!«
Mit ihren Hausaufgaben … dass ist nicht lache! Halten eigentlich alle Erwachsene ihre Kinder für dumm?
Auch die Aussicht, dass meine Tante uns morgen erste italienische Vokabeln beibringt, bessert meine Laune keinen Zentimeter. Höchste Zeit für eine Mail an Mira:
Von:
[email protected] An:
[email protected] Gesendet: Di., 16. April 14:33:54 (MEZ)
Betreff: Hilfe!
Mira, ich werde gleich wahnsinnig!
Es ist noch schlimmer, als ich dir heute früh gesagt habe. Nicht nur dass Lisa Tag und Nacht an einen gewissen Daniel denkt und völlig abhebt, nein, jetzt habe ich auch noch gerade zu meinem großen Entsetzen festgestellt, dass meine Mutter mit irgendjemandem im Internet flirtet. Die Homepage war eindeutig: Singlecafé …
Und jetzt? Wer ist in einem solchen Fall zuständig? Amnesty International? Das Rote Kreuz? Der Deutsche Teenie-Schutzbund? Hilf mir, bevor ich in die Klapsmühle wandere …
Deine verzweifelte Karo
Ich drücke auf Senden und mache mich an meine Hausaufgaben, aber schon bald ist mir klar, dass ich das genauso gut lassen kann. Statt Englischvokabeln schwirren ganz andere Gedanken durch meinen Kopf: Was ist, wenn meine Mutter wirklich jemanden kennengelernt und sich so richtig verliebt hat? Was ist dann mit Lisa und mir? Vielleicht mag dieser Mann gar keine Kinder! Und was ist dann? Müssen Lisa und ich zu meinem Vater ziehen? Das würde keine Woche gut gehen. Ich habe ihn wirklich gern, aber wir zoffen uns oft schon wegen der kleinsten Kleinigkeit und – »Pling!« – mein PC kündigt eine neue Mail an:
Von:
[email protected] An:
[email protected] Gesendet: Di., 16. April 14:42:57 (MEZ)
Betreff: Re: Hilfe!
Liebe Karo,
an deiner Stelle würde mir das auch nicht gefallen, aber dass sie dort rumsurft, heißt ja noch nicht, dass sie auch einen Typen an Land gezogen hat, oder?
Vielleicht ist ja alles voll harmlos. Und wenn sie doch schon einen an der Angel hat, fällt uns bestimmt auch noch was ein. Nicht verzweifeln! Meint deine mitfühlende Freundin
Mira, die gerade auf ihren nervigen kleinen Bruder aufpassen muss …
»Was soll uns denn da einfallen?«, murmele ich missmutig. Ich möchte gerne mal wissen, wo Mira immer diesen Optimismus hernimmt. Gibt es dafür auch einen Kurs