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Mister Zed

Mister Zed

Titel: Mister Zed Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Rensmann
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und der Vorhang bewegte sich nicht.
    »Doch, doch. Natürlich kam er ab und an in diesen Raum, aber Zed besitzt
kein räumliches Sehen wie wir – er ist nicht in der Lage, diese Bilder,
diesen Raum visuell zu lokalisieren. Und so versteckten wir uns vor ihm. Seitdem
verleben Roland und ich hier ein ruhiges Leben. Er sieht uns wohl, wenn er den
Raum betritt, jedoch nur als stumme Statisten in eines der Bilder eingearbeitet.«
Er dachte einen Augenblick nach, dann erklärte er: »Er sagt nie etwas.
Ich weiß bis heute nicht, ob er abwartet oder zufrieden damit ist, dass
ich da bin.« Und leise fügte er hinzu. »Ich hoffe Letzteres –
für euch!«
    »Kann er hellsehen? Oder Gedanken lesen?«, fragte Sonja nun und trank
einen letzten Schluck Kaffee. Das heiße Getränk brannte angenehm
auf der Zunge und verdrängte für einen Moment den faden Geschmack
der ekelhaften Kreatur aus ihrer Mundhöhle.
    »Nein, das kann er nicht. Aber er besitzt eine ausgeprägte Intuition,
die es ihm ermöglicht, beinahe Gedanken erraten zu können. Er ist
verrückt, ein Mutant, ein wahnsinniger Wissenschaftler, aber er besitzt
keine übersinnlichen Fähigkeiten.«
    »Ich habe auf dem Weg hierher einen Raum entdeckt,« sagte Sonja. »Einen
Raum, in dem Hunderte von Monitoren installiert waren, die Bilder von Ephalus
zeigten. Auch das Büro des Gouverneurs muss demnach über Kameras verfügen.
Diesen Raum hier konnte ich jedoch nicht sehen.«
    »Hat er versucht euch zu manipulieren?«, fragte der Alte und schien
entsetzt bei der Vorstellung, Zed könnte sie für sich gewonnen haben.
    »Nicht, dass es uns bewusst wäre.«
    Der alte Mann atmete tief durch. »Das ist gut. Das ist sehr gut. Es reicht,
wenn er weiß, dass ihr aus der Zukunft kommt. Wenn er euch noch für
sich gewinnen würde, wäre alles verloren. Alles.«
    »Woher weißt du, dass wir aus der Zukunft stammen?«, fragte
Roderick neugierig und ohne Misstrauen in seiner Stimme.
    »Später. Es ist noch zu früh. Bitte berichtet mir zunächst,
was euch bis hierher – zu mir – getrieben hat.«
    Obwohl sie den Namen des Alten nicht kannten und er ihnen diesen scheinbar nicht
preisgeben wollte, gab es eine vertraute Atmosphäre zwischen ihnen. Und
so erzählten sie zunächst, was sie veranlasst hatte, die Tür
zu diesem Zimmer zu öffnen.
    »Roland, ich habe dir immer gesagt, dein Jammern wird uns eines Tages das
Ende bringen!«, schimpfte der Alte mit dem Roboter.
    »Ja, Herr, ja, aber es kitzelt doch so.« Er kicherte und setzte sich
auf die Wiese eines gegenüberliegenden Bildes. Seine schlauchförmigen
Beine baumelten dabei aus dem Rahmen heraus.
    »Er erträgt es nicht, wenn ich ihn öle und säubere, aber
sonst könnte er nicht mehr einen Fuß vor den anderen setzen.«
    Sie sahen zu Roland hinüber. Die Bäume auf seinem Bild wiegten sich
sanft im Wind, das leise Rauschen der Blätter verschluckte beinahe das
Flöten des Roboters. Doch seine Lippen waren gespitzt und ab und an wehten
Bruchstücke einer pfeifenden Melodie zu ihnen hinüber. Neugierig blickte
Roland einem gelben Vogel hinterher, der alle paar Sekunden wiederholt über
seinem Kopf schwirrte.
    »Er stammt aus dem Jahre 1972. Ich habe noch ein wenig an ihm herumgeschraubt
und ihn aufgemotzt, aber die meisten Teile sind aus der damaligen Zeit.«
Die Stimme des Alten veränderte sich, leiser und tiefer fügte er hinzu:
»Zed hat ihn mitgebracht. Wie mich auch.«
    Abrupt starrten sie den Alten an. »Wie dich auch?«, fragte Roderick.
    »Nicht nur ich habe Souvenirs von meinen Reisen gesammelt, auch Zed. Doch
hat er es nur auf menschliche Andenken abgesehen, oder solche wie Roland, die
ihm als Vorlagen seiner Fiktionen dienen sollten. Roland ist einer der Wenigen,
möglicherweise der Einzige, der noch lebt.«
    »Sie sind es. Du musst es ihnen sagen, Herr.«
    Niemand hatte mitbekommen, dass Roland aus seinem Landschaftsbild wieder in
ihr Wohnzimmermotiv getreten war. »Du musst.«
    »Bald, Roland, aber nicht jetzt. Erst gibt es noch so vieles zu sagen.«
Die Tränen in den vom Alter verblassten Augen erweckten in Sonja ein tiefes
Mitgefühl. Sie wollte den alten Mann in die Arme nehmen und trösten,
doch sie blieb neben Roderick sitzen, strich sich hastig über das Kleid
und fand keine Erklärung für ihre Empfindungen.
    »Sobald ihr diesen Raum verlasst, müsst ihr Zed töten. Mit meinem
Wissen könnt ihr gegen ihn antreten,

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