Misterioso
Söderstedt.
Er saß immer noch auf Stora Essingen in seinem Auto und beobachte das endgültige Verschwinden des Lichts – mit dem auch seine Ideen dahinschwanden. Es gab nichts mehr zu tun für ihn. Vollkommen passiv saß er da, die Hände auf dem Steuer, und hatte das Gefühl einzufrieren. Die Zeit floss dahin, ohne dass er eingreifen konnte. Zuviel Zeit.
Es war nach neun Uhr abends am neunundzwanzigsten Mai. Mit größter Wahrscheinlichkeit saß Göran Andersson bereits irgendwo und wartete auf Alf Rüben Winge.
Das Handy klingelte. Es rauschte und knisterte in der Leitung, als Hultin sich meldete.
»Anjas Wohnung in der Bondegatan steht leer. Ich hab die Tür aufgestemmt. Keine Spuren. Die Nachbarn wissen nichts. Viggo ist hier bei mir. Wir haben ein Adressbuch gefunden. Winge steht nicht drin, aber jede Menge anderer Namen und Adressen, wohl hauptsächlich Freunde von der Universität. Wir fangen jetzt mit der Telefoniererei an. Weißt du, wie es bei Hjelm und Chavez läuft?«
»Nein«, war alles, was Söderstedt herausbrachte. Der Prozess des Erstarrens setzte sich fort. Ein schreckliches Gefühl von Machtlosigkeit rann durch seine Adern, ehe alles zu Eis gefror. Es klingelte wieder. Als er sich endlich aufraffen konnte zu antworten, hörte er Chavez’ Stimme, die seiner frappierend ähnlich klang. »Wir können die Eltern in Rimbo nicht erreichen.«
Das war alles. Er begriff, dass auch er vor Ohnmacht erstarrte. Göran Andersson war auf dem besten Weg, ihnen durch die Lappen zu gehen. Die Frustration war unerträglich.
Und wieder klingelte es. Söderstedt bekam kaum noch einen Ton heraus.
»Hallo?« sagte eine Frauenstimme mit leichter Verzögerung. »Hier ist noch mal Irene Parikka. Anjas Schwester.«
Hoffnung, vielleicht gab es noch eine Chance.
»Ja?« sagte er erwartungsvoll.
»Mir ist noch was eingefallen«, hob Irene Parikka zögernd an. »Vielleicht ist es auch völlig bedeutungslos.«
Söderstedt wartete geduldig.
»Meine Eltern haben ein Gartenhäuschen, wo Anja, glaube ich, manchmal hinfährt. Ganz oben in Tantolunden.«
»Haben Sie eine genaue Adresse?« fragte Söderstedt.
»Nein, tut mir leid«, sagte Irene Parikka. »Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass die Gartenkolonie Södra Tantolunden heißt. Mehr kann ich nicht sagen.«
Söderstedt bedankte sich bei ihr, überschwenglich, so jedenfalls kam es ihm vor, und rief Hultin an.
»Ich glaube, wir haben ihn«, sagte er ruhig. »Ein Gartenhäuschen in Tantolunden. Schrebergartenkolonie Södra Tantolunden. Die Laube gehört Parikkas Eltern.«
Es war still am anderen Ende der Leitung. Die Sache kam in Gang.
»Fahr zum Stadshuset«, sagte Hultin schließlich.
Ohne nachzufragen, tat Söderstedt, was Hultin verlangte. Die Stadt war wie leergefegt.
Als er die Hantverkargatan hinunterfuhr, meldete sich Hultin: »An alle!« Er schrie fast. »Wir haben eine Gartenlaube in Tanto eingekreist. Sammelstelle am Ende der Lignagatan, das ist die letzte Querstraße auf der Hornsgatan genau vor Hornstull. Das erledigen wir selbst. Alle begeben sich unmittelbar dorthin. Außer Arto. Ich rufe dich sofort an.«
Hjelm und Chavez, die auf etwas verlorenem Posten vor dem Fußballstadion in Rasunda gestanden hatten, sprangen in den Wagen. Hjelm trat das Gaspedal durch, und Chavez’ Oberkörper wurde gegen die Rückenlehne gepresst.
Sie waren als erste da. Es herrschte absolute Stille. Die Grünanlage lag in der Dunkelheit wie ein Stück schwedische Landschaft mitten in der Großstadt. Hier und da flackerte Licht in einer der Gartenlauben oben am Hang.
Dort irgendwo war Göran Andersson.
Sie blieben im Auto sitzen. Kein Wort, keine Bewegung. Hjelm rauchte eine Zigarette. Chavez schien es nicht zu merken.
Ein Taxi rollte neben den Mazda und hielt an. Einen kurzen, panischen Augenblick lang glaubte Paul Hjelm, das sei Andersson, der komme, um ihn zu kassieren, wie er es am Telefon angedroht hatte. Aber aus dem Taxi stieg Kerstin Holm. Sie setzte sich zu ihnen in den Wagen.
»Ich komme direkt aus Arlanda«, sagte sie leise. »Hat es Sinn, euch um eine Zusammenfassung zu bitten?«
»Anja Parikkas Eltern haben hier oben eine Gartenlaube«, sagte Hjelm und spürte Kerstins Hand auf der Schulter. Er streichelte sie kurz.
Ein Volvo Turbo bog dröhnend in die kurze Sackgasse ein. Hultin und Norlander sprangen heraus und schoben sich zu Kerstin auf die Rückbank des Mazda. Langsam wurde es eng.
»Arto kommt gleich mit einer Karte«, sagte Hultin mit
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