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Misterioso

Misterioso

Titel: Misterioso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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soviel wie möglich für den Sommer zusammengespart. Die Kinder fuhren an den Wochenenden zu ihr raus. Danne hatte offenbar beschlossen, sich im letzten Sommer seiner Kindheit vor der Wirklichkeit zu verkriechen. Paul bekam Anfang Mai ein freies Wochenende bewilligt und verbrachte ein paar ungewöhnlich glückliche, von der Frühlingssonne gesegnete Tage im Kreis seiner Familie.
    Sie saßen auf einer Wolldecke an einem einsamen Bootssteg vor einem knallroten Sonnenuntergang mit einer leeren Weinflasche, die neben ihnen hin und her rollte. Hinterher war Cilla schweigsam und irgendwie traurig gewesen. Vollkommen unerreichbar. Die unerträgliche Schönheit des Sonnenuntergangs brannte sich ihnen in die Seele ein. Die tiefrote Schicht über der spiegelblanken Meeresfläche, deren Ränder sich deutlich von der alles umschließenden Schwärze abgrenzten und sich langsam zusammenzogen; eine verdunstende Blutlache über einem Abgrund.
    Cilla zitterte, ein heftiges, bodenloses Zittern. Er sah sie lange an, während es immer dunkler wurde. Er versuchte, zu sehen, was sie sah, zu erleben, was sie erlebte. Es ging nicht. Schließlich hatte das Rot sich aufgelöst. Zurück blieb nur das Dunkel. Er versuchte, sie zu überreden, mit ihm zum Haus zurückzugehen, aber er konnte sie nicht erreichen. Am Ende blieb ihm nichts anderes übrig, als sie auf dem Steg zurückzulassen, allein mit ihrer Einsamkeit. Er legte sich ins Bett und tat die ganze Nacht kein Auge zu. Am nächsten Morgen ging er in aller Frühe zum Steg. Da saß sie immer noch, in die Decke gewickelt. Er ging zurück zum Haus, ohne sich bemerkbar zu machen.
    Die Zeit vor dem Umzug nach Dalarö war, beruflich gesehen, verhältnismäßig ereignislos gewesen, eine Phase der Kleinarbeit und Konsolidierung. Neben seiner Zusammenarbeit mit Chavez und Nyberg verfolgte er nun zwei frühere Ansätze weiter.
    Als erstes wählte er eine 071-Nummer. Eine Frau teilte ihm stöhnend mit, was sie mit seinem Organ machen wollte. Telefonisch befragte er das Handelsregister im Patentamt, aber außer der Postfachnummer in Bromma, die auch in der Anzeige stand, war keine Adresse angegeben. Also fuhr er zum Postamt nach Bromma und wartete. Er suchte sich einen Platz, von dem aus er die Postfächer durchs Fenster beobachten konnte, stand rauchend in der anhaltenden Hitze, die so gar nicht zum Frühling passen wollte, und wartete. Er hatte das Postfach 1414 fast drei Stunden lang nicht aus den Augen gelassen, als ein schmächtiger Mann um die Vierzig einen Schlüssel in das Schloss steckte und es öffnete. Hjelm, inzwischen recht müde, verwarf seinen ursprünglichen Plan, Johan Stecher zu beschatten, um zu überprüfen, ob sich hinter der 071-Nummer tatsächlich ein Bordell verbarg oder nicht. Er ging direkt auf ihn zu und sprach ihn an.
    »Stecher?«
    Der Mann zögerte keine Sekunde, drängte sich an Hjelm vorbei und wollte losrennen, aber Hjelm fällte ihn, indem er ihm elegant ein Bein stellte. Stecher knallte unmittelbar vor der Schnauze eines fein frisierten Zwergpudels, der vor der Post angebunden war, mit dem Gesicht gegen die Glastür. Der Hund fing sofort panisch an zu jaulen. Hjelm zog den Mann mit der geplatzten Oberlippe hoch.
    »Das war wirklich unnötig«, sagte Hjelm, legte ihm Handschellen an und zerrte ihn hinter sich her zum Auto. Er hoffte nur, dass Stecher nicht vorhatte, ihm die Sitze vollzubluten, jetzt, wo er sich gerade an den Wagen gewöhnt hatte.
    Jorge Chavez war dabei, als Hjelm Johan Stecher in seinem Büro einem inoffiziellen Verhör unterzog.
    »Ich hätte da ein paar Fragen wegen der 071-Anzeigen, die in glücklicheren Zeiten ganze Seiten der Abendzeitungen gefüllt haben«, sagte Hjelm zögerlich. »Warum ist in den Anzeigen eine Adresse angegeben? Laufen Kuppelei und Bordellbetrieb heutzutage über diesen Weg?«
    »Das ist gesetzlich vorgeschrieben«, sagte Johan Stecher aufmüpfig und betastete seine verarztete Oberlippe. »Das Gesetz solltet ihr aber kennen. Weshalb bin ich eigentlich hier? Ihr habt kein Recht...«
    »Formell sind Sie wegen Widerstands gegen einen Polizisten festgenommen worden.«
    »In dem Fall möchte ich von meinem Recht auf einen Anwalt Gebrauch machen.«
    »Sie scheinen über Ihre Rechte ja bestens informiert zu sein. Das Problem ist nur, dass im Hintergrund eine viel schwerwiegendere Anklage lauert. Prostitution. Kuppelei mit minderjährigen Jungs.«
    Stecher sah ihn baff an.
    »Wenn das so ist, verlange ich wirklich einen

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