Misterioso
nicht sehr heroisch aus.
Hultin klopfte ein paar Mal auf den Tisch und hielt dann zwei klassische Phantombilder hoch. Das rechte zeigte einen schlanken Mann mit unverkennbar slawischen Zügen und ebenso unverkennbar russischem Schnauzbart. Der Mann auf dem linken Bild war rasiert, rundlich und kräftig, Nyberg nicht ganz unähnlich.
»Das sind zwei von Viktor X’ Alkoholschmugglern in Schweden«, leitete Hultin die 15-Uhr-Besprechung ein. »Sie nennen sich Igor und Igor. Die fotografischen Phantombilder waren unbefriedigend, ihr wisst schon, wie damals bei den Palme-Ermittlungen, also haben wir den alten Zeichner aus dem Museum geholt. Die Bilder sind nach den Angaben eines gewissen Herrn Bert Gunnarsson entstanden, Kneipeninhaber auf Söder, der den beiden Ende letzten Jahres und Anfang diesen Jahres mehrmals Schmuggelwodka abgekauft hat. Ich habe die Bilder an Kalju Laikmaa in Tallinn weitergeleitet, der die Männer sofort identifiziert hat. Keiner von beiden heißt Igor. Der Schlanke ist Alexander Brjusov, der Dicke Valerij Trepljov, russische Kleinkriminelle mit Tätigkeitsbereich Estland, jedenfalls bis vor einem halben Jahr; da sind sie offenbar in Viktor X’ Auftrag nach Schweden gekommen. Die Tatsache, dass sie im März den Kontakt zu Gunnarsson abgebrochen haben, könnte von Bedeutung sein.«
»Heißt das, wir sollen das Dementi auf Norlanders Stigma ignorieren?« fragte Söderstedt.
»Stigma?« fragte Billy Pettersson.
»Eine Wunde, die an derselben Stelle aufbricht wie beim gekreuzigten Jesus«, erklärte Kerstin Holm.
»Das Dementi darf auf keinen Fall unsere Ermittlungen beeinflussen«, sagte Hultin. »Wir müssen es ignorieren, auch wenn wir es für wahr halten. Versuchen wir also, die beiden
Herren Igor ausfindig zu machen. Sie stellen die einzige konkrete Verbindung zu Viktor X dar.«
Die Zeit bekam eine andere Dimension; es ging ruhiger, langsamer, pedantischer zu. Die Zeichnungen von Igor und Igor wurden in allen Zeitungen veröffentlicht – ohne Resultat –, die Herren Alexander Brjusov und Valerij Trepljov blieben Bilder.
Es gab mehrere Hypothesen – eine davon schien im Moment am plausibelsten zu sein: Daggfeldt und Carlberger waren die eigentlichen Opfer und Strand-Julén die falsche Fährte.
Die Hypothese passte zu der neu hinzugekommenen Grime-Bear-Spur. Bei dem Medienunternehmen, das sich im Ausland GrimeBear Publishing Inc. nannte, handelte es sich um nichts Geringeres als die mächtige und ahnenreiche Lovisedal AG, die offensichtlich mit der russischen Mafia in Clinch geraten war. Daggfeldt und Carlberger hatten von 1991-93 im Aufsichtsrat der Lovisedal gesessen, nicht aber Strand-Julén, der somit eine mögliche falsche Fährte sein konnte. Es war beispielsweise denkbar, dass Daggfeldt und Carlberger umgebracht worden waren, weil Viktor X dem Konzern wegen seiner strikten Weigerung, in Russland und im Baltikum Schutzgelder zu zahlen, Druck machen wollte. Das Unternehmen wuchs über die Landesgrenzen hinaus, publizierte bereits eine russischsprachige, täglich erscheinende Wirtschaftszeitung und sondierte nun, wie so viele andere schwedische Unternehmen, das Terrain im Baltikum. Der freie Markt traf auf einen noch freieren Markt, war täglich Drohungen und Zerstörung ausgesetzt und beauftragte private russische Wachgesellschaften, die sich aus alten, in der Sowjetunion trainierten Mafiabekämpfern zusammensetzten. Schwedische Unternehmen finanzierten einen Bürgerkrieg zwischen exsowjetischen Unternehmern und nannten es Unterstützung.
Chavez verfolgte die Lovisedal-Spur parallel zur MEMAB-Spur, das heißt, er sprach mit allen, die zur fraglichen Zeit im Aufsichtsrat gesessen hatten, und versuchte, potentiell Verdächtige einzukreisen. Seine Recherchen ergaben nicht viel. Oft begleitete ihn Hjelm.
Hjelm befand sich in einem regelrechten Vakuum. Seine Gedanken kreisten hauptsächlich um den roten Pickel auf seiner linken Wange, der langsam, aber sicher wuchs. Cilla tat ihn mit einem abschätzigen Lachen ab, dabei maß er inzwischen einen guten Quadratzentimeter, und Hjelm dachte immer häufiger an das eine: Krebs. Bösartiges Melanom. Trotzdem weigerte er sich, etwas dagegen zu unternehmen.
Kerstin Holm hatte seit ihrem merkwürdigen Gespräch in der Kantine kaum ein Wort mit ihm gewechselt. Sie war vorrangig damit beschäftigt, ihre Tonbänder zu sortieren und sie mit den Befragungen von Nachbarn und Angestellten zu koordinieren, die sie bei der Stockholmer
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