Misterioso
auszuspucken. Hultins Miene war konzentriert, aber neutral, während er das Papier hielt, bis die Maschine es endlich freigab. Er las und schloss die Augen.
»Viggo Norlander ist gekreuzigt worden.« Seine Stimme versagte. Eine Sekunde später fuhr er fort: »Die russisch-estnische Mafia hat ihn in einem leerstehenden Haus im schäbigsten Viertel Tallinns an den Fußboden genagelt.«
Sie wechselten Blicke. Die wichtigste Information fehlte noch. Sie wurde im nächsten Moment nachgeliefert.
»Er lebt«, sagte Hultin. »Das war eben Kommissar Kalju Laikmaa von der Tallinner Kriminalpolizei. Norlander hat offensichtlich im Alleingang einen verdammten Feldzug gegen die Mafia gestartet. Laikmaa hat ihn überwachen lassen, weil er so etwas vermutet hatte. Als seine Leute vom sogenannten Kommando K in das Haus eindrangen, lag Viggo bereits eine gute Stunde mit je einem Nagel durch Hände und Füße am Boden. Zu seinem Glück war er bewusstlos. An dem Nagel durch die linke Hand hing diese auf schwedisch abgefasste Nachricht. Ich lese vor: ›An Kriminalinspektor Viggo Norlanders Chef, Stockholm. Wir gehören zu einer Gruppe, die Ihnen unter dem Namen Viktor X bekannt ist. Mit den Morden an Geschäftsleuten in Stockholm haben wir nichts zu tun. Gewaltverbrechen erledigen wir, wie Sie sehen, innerhalb der Grenzen unseres Landes. Sie bekommen Ihren einsamen Rächer ohne einen einzigen gebrochenen Knochen zurück. Wir nageln nur das Fleische Unterzeichnet, Viktor X, und ein PS: ›Wenn Ihre Leute auf diese Weise vorgehen, ist klar, dass der Fall nicht gelöst wird. Trotzdem viel Glück. Es liegt in unserem Interesse, dass Sie den Fall so schnell wie möglich lösen.‹«
»Was hat er sich bloß dabei gedacht?« platzte Chavez heraus.
Kopfschüttelnd sagte Hultin: »Ein paar Anhaltspunkte scheint er trotz allem gefunden zu haben. Er ist noch sehr mitgenommen, lässt aber über Laikmaa ausrichten, dass ein schwedisches Medienunternehmen, das international unter Grime-Bear Publishing Inc. firmiert, schwer unter den Schutzgeldforderungen Viktor X’ und anderer Gruppen zu leiden hat. Und dass zwei von Viktor X’ Alkoholschmugglern, die sich Igor und Igor nennen, in Schweden ihr Unwesen treiben. Versucht, die beiden Herren ausfindig zu machen, und überprüft, was es mit diesem verflixten Grime-Bear auf sich hat.«
Hjelm sah Nyberg an. Nyberg sah Hjelm an. Igor und Igor. Auf die beiden waren sie irgendwo gestoßen.
Abschließend sagte Hultin: »Und dann lässt er noch ausrichten, dass er nie wieder Rambo spielen wird.«
Wieder wurden verdutzte Blicke gewechselt.
»Ich wusste gar nicht, dass er überhaupt damit angefangen hatte«, sagte Kerstin Holm und sprach den anderen aus der Seele.
Hjelm und Nyberg fuhren nach Södermalm zu einer Kellerkneipe in der Södermannagatan, genauer, zu der Wohnung, die direkt darüber lag. Sie waren schon einmal dort gewesen. Sie mussten zwölfmal klingeln, ehe ihnen ein verschlafener Mann durch den Türspalt entgegenblinzelte und auf einen Schlag hellwach wurde, als er Gunnar Nyberg sah.
»Lass mich leben«, stammelte er.
Hjelm dachte an Nybergs beeindruckende Sag-was-oder-du-bist-ein-toter-Mann-Technik und an seine tiefe Bass-Stimme in der Missa papae Marcelli in der Maria-Magdalena-Kirche.
»Sei nicht albern, Bert«, sagte Nyberg. »Wir wollen nur ein bisschen mehr Information über Igor und Igor. Was hast du von ihnen gekauft?«
»Das hab ich doch alles schon erzählt«, klang es verzagt durch den Türspalt.
»Dann erzähl es uns noch mal.«
»Sechzigprozentigen Estonia-Wodka aus Liviko. Im Laufe des Winters insgesamt vier Partien zu vier unterschiedlichen Terminen.«
»Wann genau und wie viel?«
»Die erste Lieferung im ... November, glaube ich, die letzte Anfang Februar. Seitdem haben sie nicht mehr von sich hören lassen.«
»Hätten sie das sollen?«
»Sie waren im November da, im Dezember, im Januar und im Februar. Im März nicht. Ich habe jedes Mal ein paar Kisten gekauft. Das Zeug geht weg wie warme Semmeln. Wobei man es ordentlich strecken kann, ohne dass es auffällt. Ist inzwischen sozusagen der Lieblingswodka meiner Stammgäste, das mit dem Estnischen hat wohl irgendwie was Geheimnisvolles. Ich hab nichts mehr, und sie haben nichts von sich hören lassen. Leider. War ziemlich günstig.«
»Du kommst jetzt mit ins Präsidium und hilfst uns, ein Phantombild der Gebrüder Igor anzufertigen«, sagte Nyberg.
Das Trio, das kurz darauf von Söder nach Kungsholmen fuhr, sah
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